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■ Mit dem Giftmüllschwund auf du und duIm falschen Ofen

Berlin (taz) – In Deutschland geht das Sondermüllaufkommen dramatisch zurück. Zahlen liegen zwar nur für einzelne Bundesländer vor, sind dafür aber mehr als deutlich. In Baden-Württemberg wurden 1990 noch 500.000 Tonnen gefährliche Abfälle registriert, inzwischen ist es nur noch etwas mehr als die Hälfte. Umweltminister Harald B. Schäfer (SPD) sieht hierin einen Erfolg der baden- württembergischen Sondermüllabgabe. Je nach Müllart müssen die Industrieunternehmen im Südwesten im Schnitt 300 Mark pro Tonne zusätzlich bezahlen. Ähnliche Abgaben gibt es in Hessen, Niedersachsen, Bremen und Schleswig- Holstein. Zu Zeiten von Umweltminister Klaus Töpfer war sogar eine bundesweite Sondermüllabgabe geplant. Angela Merkel will von den Plänen ihres Vorgängers aber nichts mehr wissen. Schäfer versucht deshalb über den Bundesrat Druck zu machen. Ein jetzt eingebrachter Gesetzentwurf sieht die Übernahme der „erfolgreichen“ baden-württembergischen Regelung vor.

„Da werden politische Erfolge gefeiert, ohne jede Substanz.“ Rudolf Stachel, Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft der Sonderabfall- Entsorgungs-Gesellschaften der Länder“ (AGS), hat wenig Vertrauen in den Lenkungseffekt von Gefahrmüllabgaben. „Solche Abgaben lenken nicht, sie verdrängen bloß“. Denn häufig werden aus gefährlichen Abfällen plötzlich Wirtschaftsgüter. Statt in staatlichen Sondermüllöfen werden etwa Lackreste und Altöle fast nur noch als Brennstoff-„Substitute“ in Kraftwerken der Industrie verfeuert. Auch die Anlieferung bei Sondermülldeponien ging stark zurück. Immer beliebter wird dagegen die Einlagerung von Giftmüll in ehemaligen Salz- oder Kohlegruben, die aus bergrechtlichen Gründen wieder „verfüllt“ werden müssen.

Rudolf Stachel legt dagegen großen Wert darauf, daß Sonderabfall auch in den dafür gebauten Anlagen entsorgt wird: „Schließlich sind unsere Anlagen europäische Spitzenklasse.“ Derzeit sind die teuren Öfen und Deponien aber nicht ausgelastet. „Um nicht verwertbare Abfälle, etwa Reste von Pflanzenschutzmitteln, dennoch verbrennen zu können, müssen wir bald teueres Öl zufeuern, damit die Anlagen überhaupt noch in Gang kommen“, so Stachel. Die Unternehmen sparen dagegen nicht nur die Sondermüllabgabe, sondern auch die teueren Entsorgungskosten. Die Verfeuerung als Brennstoff-Substitut oder die Verfüllung im Berg sind deutlich billiger. Christian Rath

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