Mit dem Entscheider-Bändchen um den Arm feiert es sich ganz gut auf dem Pop-Kultur-Festival: Auf der Suche nach Frodo
Ausgehen und Rumstehen
von Christiane Rösinger
Das Wochenende begann ja schon am Mittwoch, denn da startete das „Pop-Kultur-Festival“, und so zog man voller Spannung, aber auch mit einem berechtigten Misstrauen zum neuen Senatsfestival, das ja praktischerweise im, um und ums Berghain herum stattfand.
Beim Check-in empfahl man mir, zuerst in den „Diskogarten“ zu gehen.
Vor Ort erfuhr ich, dass nur „Entscheider“ mit dem Diskogarten-Bändchen beschenkt worden waren. Das plötzliche Wissen, eine Entscheiderin zu sein – wo ich doch nur jeden Morgen aufs Neue entscheide, ob es sich lohnt aufzustehen –, und die Freigetränke hoben die Stimmung. Viele Bekannte waren da, die Leute von den zwei Indie- und drei Elektroniklabeln und den zwei Bookingagenturen, die es in Berlin noch gibt, ein paar Festivalmacherinnen und Musiker. Da hob also ein großes „Meet und Greet“ zwischen den vielen Entscheidern und den wenigen Entscheiderinnen an. Alle waren gut gestimmt, gleichzeitig aber auch total überfordert.
Fragen über Fragen
„Wo gehst du hin?“ „Was ist jetzt noch mal wo?“ „Schafft man es zeitlich, ‚Isolation Berlin‘ und ‚Zentralheizung of Death/des Todes‘ zu sehen?“ „Wo ist denn die Schlackehalle?“ „Ist es dieselbe wie die „Halle am Berghain?“ – das waren die Fragen des Abends. So arg verlockend schien das Programm auf den ersten Blick nicht – vieles hätte man im letzten Jahr eh schon gesehen, monierten einige.
„Aber später in der Nacht soll doch Frodo von ‚Der Herr der Ringe‘ in der Panorama-Bar auflegen“, verkündete ich meinen Entscheider-Bekannten begeistert, ein Booker wiegelte jedoch ab: Das sei ja wohlnichts Besonderes, der habe letztens schon auf einer Party in der Fahimi-Bar am Kotti aufgelegt.
Toll waren die „Hinds“, eine Gitarrenband aus Spanien, vier Frauen an den Instrumenten, die mit den abrupten Tempiwechseln und ihrem charmanten Slackertum an die schönsten Indierockzeiten erinnerten. Eher besinnlich, fast weihnachtlich-meditativ ging es bei Pantha du Prince zu. Danach war ich nicht mehr so recht in Stimmung für das neue Soloprojekt der Coco-Rosie-Schwester, vielleicht auch, weil ich mir darunter eher so prätentiös- düsteres Elfengetanze vorstellte.
Also wieder alle Treppen hoch in die Panorama-Bar, wegen der aufdringlichen Visuals und Stroboblitze war dort leider nicht auszumachen, ob Frodo – also Schauspieler Elijah Wood – schon da war. Aber ist es nicht sowieso schöner, in einer warmen Spätsommernacht draußen in der Holzlounge rumzuhängen?
Und so besprach man mit den Vorbeikommenden und jenen, die sich ebenfalls ermattet dazugesellten, die Eindrücke des ersten Tages: alles nicht schlecht. Ein schöner, angenehmer Festivalort. Sehr angenehm auch der fehlende Messecharakter, die Abwesenheit der Musikindustrie. Sehr dezentes Sponsoring, keine Werbebanner.
Aber was ist jetzt das Besondere daran, warum lässt sich der Berliner Senat das 700.000 Euro kosten? Andererseits: warum denn nicht?
Mit diesen versöhnlichen Gedanken klang der erste Festivaltag des Pop-Kultur-Festivals 2015 aus. Später wurde erzählt, Frodo sei in der Panorama-Bar aufgeregt zwischen den Reglern hin- und hergesprungen und habe ein psychedelisch-eklektisches Set aufgelegt, andere nannten es Bollywood House.
Das war der Mittwoch. Wer aber nicht mehr 20, nicht mehr 30 und nicht mehr 40 ist, der muss nach einer nur in Ansätzen exzessiven Nacht zwei Tage Pause machen – es ist bitter, aber es ist so. Dann stand das Wochenende vor der Tür, und zwar das letzte Sommerwochenende des Jahres. Das hieß: nix wie raus zum Anti-Urban-Gardening uff die „Parzelle“, wie wir Laubenpieper sagen. Aber das ist ein anderes Thema.
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