■ Mit aggressiven Autofahrern auf du und du: Schlachtfeld Autobahn
Hamburg (epd/AFP/taz) – Ob Frau, ob Mann, ob alt oder jung – wer in einem Wagen der oberen Mittelklasse über die Autobahn heizt, attackiert andere VerkehrsteilnehmerInnen durchschnittlich neun mal pro Stunde. Leute, die hinterm Steuer eines Sportwagens sitzen, fahren anderen VerkehrsteilnehmerInnen innerhalb von 60 Minuten meist einmal weniger an die Stoßstange oder zeigen ihnen einen Vogel. KleinwagenbesitzerInnen leisten sich immerhin noch vier Aggressionsausbrüche in der Stunde. Das belegt eine wissenschaftliche Untersuchung der kirchlichen Versicherungsgruppe „Bruderhilfe“.
Der Würzburger Verkehrspsychologe Reiner Klimke hat mit 200 AutofahrerInnen zwischen 18 und 70 Jahren rund 200 Testfahrten durchgeführt. Dabei maß er sowohl die Herzfrequenz als auch den Hautwiderstand und zeichnete das Verhalten während der Fahrt auf. Er hat festgestellt, daß es am beliebtesten ist, Vorderfrau oder -mann durch dichtes Auffahren zu traktieren. Aber auch Überholen auf der rechten Spur, Lichthupen und aggressive Gestik gehören zum Repertoire im Straßenkampf der freien BürgerInnen.
Ein bißchen zivilisierter benehmen sich die Leute auf Bundesstraßen, was Klimke auf die im Vergleich zu Autobahnen nur ein Fünftel so hohe Verkehrsdichte zurückführt. Außerdem verhalten sich Frauen hier deutlich besser als Männer. Der Psychologe erklärt dieses Phänomen mit einer geringeren Risikobereitschaft von Frauen beim Überholen. Auch soll eine Frau auf dem Beifahrersitz nach Beobachtung von Klimke eine entspannende Wirkung auf den Menschen am Steuer haben: Nur halb so oft wie bei einem männlichen Begleiter verhielten sich die FahrerInnen aggressiv.
Ein wichtiger Einflußfaktor beim Straßenkampf ist Zeitdruck. Sehr oft rechnen die FahrerInnen mit viel zu hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten. Der Stau kommt in ihren Köpfen immer noch nicht vor.
Mobbing im Straßenverkehr löst laut Klimke fast immer eine Kettenreaktion aus. Erlittenes Unrecht werde bei nächster Gelegenheit oder später „an irgend jemandem“ ausgelassen, der mit dem eigentlichen Anlaß gar nichts zu tun hatte. Klimke vermutet, daß der Straßenkampf mit steigender Verkehrsdichte weiter eskaliert. Die neusten Zulassungszahlen lassen da nichts Gutes erwarten: Nach einer Meldung des Kraftfahrt- Bundesamtes wurden im Mai wieder deutlich mehr Autos zugelassen als in den Vormonaten: 381.503 zusätzliche Fahrzeuge tummeln sich auf deutschen Straßen – eine Zunahme von 6,5 Prozent im Vergleich zum April.
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