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■ Mit Zwang gegen RaucherKulturloser Angriff

Es ist das Verdienst der Süddeutschen Zeitung, die Literatur einmal auf ihre suchtpräpositiven Entstehungsbedingungen untersucht zu haben. Das Ergebnis konnte dabei nur jene enttäuschen, für die Lebensgefühl ohnehin ein Synonym ist für Abstinenz und Selbstkasteiung. Die Prosa von Goethe bis Schappi ist auch das Werk einer intensiven Auseinandersetzung mit Alkohol und Nikotin. Eine solche Kulturgeschichte wäre beliebig zu verlängern: Ohne Vin de Pays keinen Mai 68, ohne Drum keinen Drive und keine Hausbesetzerrandale.

Daß an dieser Stelle wieder ganz von vorn, sozusagen von den Grundvoraussetzungen menschlichen Schaffens, polemisiert werden muß, ist dagegen das Verdienst von Bernd Köppl. Es formulierte nämlich der bündnisgrüne Gesundheitsapostel einen garantiert nikotinarmen Gesetzentwurf, mit dem der weitgehend eingehaltene Waffenstillstand zwischen Rauchern und Nichtrauchern, mithin das labile Gleichgewicht zwischen Charaktergröße und Barbarei, endgültig aufgekündigt werden soll. Nicht nur amerikanische Verhältnisse wie die Kriminalisierung des Konsums von Nikotin und Alkohol im öffentlichen Raum drohen uns, sondern eine Gesinnungsschnüffelei ohnegleichen: Beamte des Jugendamts im großen Rauchangriff in den Wohnstuben und in ihrem Gefolge, zwischen den Bücherregalen, das Kommando „Lothar Matthäus“ der AOK auf der Suche nach Literatur, in der öffentlich zur Bildung, Werbung und Unterstützung von Bier- und Rauchervereinigungen aufgerufen wird. Oder geht es doch um mehr? Um Provokation durch Prohibition? Vielleicht ist der Vorstoß gar eine Finte zur Förderung der Phantasie, gegen die Fadheit der Verhältnisse und die faulen Verse der Volksvertreter? Uwe Rada

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