■ Mit Zahlenwerken auf du und du: Europas Rechenspiele
Frankfurt (dpa/taz) – Mit dem Vorurteil, Statistik sei die Fortsetzung der Lüge, haben die 500 seriösen Rechenkünstler des Statistischen Bundesamtes zu leben gelernt. Doch nun kommen neue Attacken auf die Glaubwürdigkeit der Statistiker zu: der EG-Haushalt wird von statistischen Größen her bestimmt. Die 127 Milliarden Mark in diesem Jahr entsprachen genau 1,2 Prozent des Bruttosozialproduktes aller EG-Volkswirtschaften. Diese Bemessungsgrundlage soll bis 1997 auf 1,35 Prozent ausgeweitet werden. Was vom Brüsseler Haushalt nicht über Zölle, Agrarabschöpfungen und Mehrwertsteuer hereinkommt, müssen die Mitglieder direkt überweisen. Als Verteilungsschlüssel dient wiederum das jeweilige Bruttosozialprodukt.
Dabei haben sich die Statistiker immer gegen die automatische Koppelung von Finanztransaktionen an ihre Zahlen gewehrt. Ein Beispiel: die Abweichung des deutschen Sozialprodukts – die Summe aller wirtschaftlichen Leistungen – nur um ein Hundertstel macht für den EG-Haushalt 300 Millionen Mark aus. Die Probleme liegen aber nicht in einer denkbaren Kumpanei zwischen Regierung und Statistikbehörde, sondern darin, daß es in manchen EG-Ländern bislang noch gar keine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung gibt. Aber selbst für die Profis ist die Auflistung eine Sisyphusarbeit, die nur mit Schätzungen zu bewältigen ist. Welches Ausmaß hat etwa die Schattenwirtschaft? Illegale Bauarbeiten müssen in das Sozialprodukt eingerechnet werden. Um das Mißtrauen zu überwinden, werden über Eurostat, dem statistischen Amt der EG, Kontrollen vorgenommen. Sowohl für die Erfassung des Sozialprodukts wie für die Schätzmethoden gibt es EG- einheitliche Vorschriften. Vom Ziel einer europaweit voll vergleichbaren gesamtwirtschaftlichen Rechnung ist Europa aber noch weit entfernt.
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