Mit Wunschliste nach Washington: Pakistan und USA kommen sich näher
Selten haben sich Vertreter Pakistans und der USA so einig gezeigt wie jetzt. Washington will bereits zugesagte Militärhilfe zahlen, weil Pakistans Armee gegen bewaffnete Islamisten vorgeht.
Bei ihrem ersten so bezeichneten "strategischen Dialog" auf Ministerebene haben die USA und Pakistan den Eindruck einer grundsätzlichen Verbesserung ihrer bilateralen Beziehungen vermittelt. "Heute bin ich ein glücklicher, zufriedener Mann", sagte Pakistans Außenminister Shah Mahmood Qureshi am Mittwoch in Washington. Die USA hätten jetzt vielen Positionen zugestimmt, die seine Regierung in den letzten zwei Jahren vertreten habe. Früher habe es ein Vertrauensdefizit gegeben, doch jetzt sei auf US-Seite ein Wandel "um 180 Grad" feststellbar, so Qureshi. Laut US-Außenministerin Hillary Clinton seien beide Regierungen dabei, "Jahre der Missverständnisse" hinter sich zu lassen.
US-Verteidigungsminister Robert M. Gates, der den mächtigen pakistanischen Armeechef Ashfaq Kayani sowie Geheimdienstchef Shuja Pasha traf, sagte: "Es ist aus meiner Sicht außerordentlich, was Pakistan seit mehr als einem Jahr geleistet hat." Damit lobte er Islamabads Vorgehen gegen bewaffnete Islamisten im Swat-Tal und in Südwasiristan, aber auch die Verhaftung afghanischer Taliban-Führer.
Die Pakistaner reisten mit einer 56-seitigen Wunschliste nach Washington. Sie wünschen sich Drohnen und Kampfhubschrauber, Kraftwerke und einen besseren Marktzugang in die USA sowie Unterstützung beim zivilen Atomprogramm, ähnlich wie sie Indien erhält, außerdem eine US-amerikanische Vermittlung im Kaschmirkonflikt.
Die US-Regierung stellte 125 Millionen Dollar für Kraftwerke in Aussicht, zeigte beim Atomprogramm und Kaschmirkonflikt aber kein Entgegenkommen. Washington möchte vielmehr die Aktivitäten des pakistanischen Atompapstes A. Q. Khan aufarbeiten, der u. a. Nordkorea beim Atomprogramm half. Bereits 2009 hatte der US-Kongress für Pakistan zivile Hilfe von 7,5 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre beschlossen.
Washington versprach jetzt Islamabad bereits zugesagte Militärhilfe für die im vergangenen Jahr begonnene pakistanische Offensive gegen bewaffnete Islamisten zu überweisen, bei der bisher 2.700 Soldaten getötet worden sein sollen. Laut Islamabad handelt es sich um fast 2 Milliarden US-Dollar.
Unter US-Präsident Bush (2001-2009) erhielt Pakistan rund 10 Milliarden Dollar Militärhilfe aus Washington und damit so viel wie kaum ein anderes Land. Doch nirgends ist die Amerikafeindlichkeit so groß wie dort. Zugleich sind die USA bei ihrem "Krieg gegen den Terror" auf kein Land so angewiesen wie auf Pakistan, das aus Washingtons Sicht Teil der Lösung wie Teil des Problems ist. Doch die Pakistaner wollen nicht länger Ziel US-amerikanischer Drohnenangriffe sein. Seit August 2008 starben bei mehr als 90 solcher Angriffe 830 Menschen, was die Unbeliebtheit der USA befeuert. Auch sind die Pakistaner amerikanische Vorhaltungen leid.
Jetzt vermittelte die pakistanische Delegation den Eindruck, sie fühle sich als gleichwertig behandelt. Wichtig für die Pakistaner ist, in der gefühlten Wichtigkeit nicht hinter Indien zurückzufallen, dem sich die USA unter Bush stark annäherten. Denn Indien sehen Pakistans Strategen trotz der Bedrohung durch islamistischen Terror im eigenen Land immer noch als ihren Hauptfeind an.
Unter Beobachtern ist deshalb umstritten, ob Pakistans Vorgehen gegen militante Islamisten und einige Führer der afghanischen Taliban auf seinem Gebiet wirklich einen Strategiewechsel bedeutet oder nicht vielmehr nur ein Mittel ist, um den sich anbahnenden Dialog zwischen der afghanischen Regierung und ihren bewaffneten Gegnern zu beeinflussen. Denn unter den Festgenommenen waren genau jene, mit denen die Regierung in Kabul und die dortige UN-Mission im Kontakt standen. Bisher stört sich Washington daran nicht, weil in den USA die Meinung vorherrscht, dass Gespräche mit den Taliban erst Sinn machen, wenn diese militärisch geschwächt sind.
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