■ Mit Werbebeilagen auf du und du: Ungebetene Dickmacher
München (taz) – Jeder kennt das ärgerliche Pflatsch, wenn man morgens eine der größeren bürgerlichen Zeitungen die Treppe hochträgt und einem erst einmal drei bis fünf Hochglanz-Werbebeilagen entgegenfallen. Es ist nicht bekannt, wieviel Prozent der Leser diese ungebetenen Dickmacher überhaupt je angucken. Bekannt aber ist nun, was sie wiegen und wie hoch der Stapel wird, wenn man die gesamte Jahrespackung aufeinandertürmt: Die 23,9 Kilogramm Werbebeilagen der Süddeutschen Zeitung des Jahres 1998 bilden einen 43 Zentimeter hohen Packen. Tendenz steigend – im Jahr 1995 waren es noch 19 Kilo bei 37 Zentimetern.
Die präzisen Zahlen verdanken wir der Münchner Gesellschaft für ökologische Forschung, die die beiden Stapel kürzlich vor dem Verlagsgebäude abstellte – mit der Bitte, das unerwünschte Material selbst zu entsorgen. Wolfgang Zängl, der Initiator der Aktion, erklärte, daß zur Produktion der Beilagen jährlich etwa 40 Millionen Kilowattstunden, 20.000 Tonnen Holz, 100.000 Kubikmeter Wasser und 470 Tonnen Tiefdruckfarben nötig sind. Trotz 97prozentiger Rückgewinnung der giftigen Lösungsmittel würden immer noch 7 Tonnen freigesetzt. Nach Zängls Einschätzung wandern fast 100 Prozent der Beilagen ungelesen in den Abfall.
Der Gesellschaft geht es ausdrücklich nicht um die Anzeigen in den Tageszeitungen selbst. Zumal diese auf Zeitungspapier mit hohem Recyclinganteil gedruckt seien. Nur auf die fünf bis zehn Prozent zusätzlicher Werbeeinnahmen für die Beilagen könnten die großen Tageszeitungen aber der Umwelt und den Lesern zuliebe verzichten. Schließlich seien die Abonnenten ja kein Recyclingunternehmen für Sondermüll.
Der herbeigeeilte Leiter der Unternehmenskommunikation des Verlags, Ulrich Krenn, sah das anders und verwies auf die Einkünfte durch die Beilagen – jede einzelne bringe zwischen 20.000 und 30.000 Mark. Zudem helfe man damit auch dem Einzelhandel, der auf diese Werbung angewiesen sei. Und schließlich stehe es jedem frei, die Prospekte zu lesen oder nicht zu lesen. Die Forderung der Gesellschaft nach einem zweigeteilten Abo, wahlweise mit oder ohne Beilagen, erfordere einen „logistisch sehr, sehr großen Aufwand“.
Die Lösung liegt vielleicht eher in einem zweiten Vorschlag. Entsprechend der „Robinson-Liste“ der Werbemuffel soll es eine Liste der Werbe- Freunde geben, die an den Informationen interessiert seien und direkt beliefert werden könnten. Dann müßte die Werbewirtschaft nicht mehr so ungezielt mit dem Beilagen- Schrot(t) herumschießen. Zängl: „Weniger und besser eingesetzte Werbung kommt letztlich allen Konsumenten zugute.“ Thomas Pampuch
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