■ Mit Seepferdchen auf du und du: Für Hobby und Arznei
Seepferdchen wird es vielleicht bald nur noch als kitschige Schlüsselanhänger geben. Den Beständen droht der weltweite Zusammenbruch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Großstudie des World Wide Fund for Nature (WWF) über den internationalen Handel mit den geheimnisvollen Meeresbewohnern. Der WWF schätzt das weltweite Handelsvolumen auf 20 Millionen Tiere pro Jahr. Ein Großteil davon wird in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet. Die Seepferdchen enden aber auch verstärkt als billige Urlaubsandenken für Fernreisende oder in westlichen Aquarien.
„Mit Hilfe der verfügbaren Daten wird erstmalig klar, daß auch diese Meeresbewohner rasant verschwinden“, erklärt Arnd Wünschmann vom WWF Deutschland. 32 Nationen sind am Handel mit Seepferdchen beteiligt. Die Philippinen, Indien, Thailand und Vietnam exportieren die meisten Tiere. Indien führt jährlich alleine 1,3 Millionen Seepferdchen aus. Die Ware geht vor allem nach China, Hongkong und Taiwan. In der traditionellen chinesischen Medizin sollen Seepferdchen-Präparate beispielsweise gegen Atembeschwerden, Mandelentzündung und Sexualstörungen helfen. In Hongkong war ein Kilo des begehrten Fisches im vergangenen Jahr bereits 1.200 US-Dollar wert.
Der Handel von Seepferdchen als Souvenirs und Aquariumfische macht den Beständen ebenfalls zu schaffen. Deutschland gehört mit Italien, Holland und Großbritannien zu den europäischen Hauptabnehmerländern. Da Seepferdchen hierzulande keinen Schutzbestimmungen unterliegen, gibt es allerdings keine genauen Importstatistiken. Fachleute schätzen, daß Deutschland mehr als hunderttausend Seepferdchen jährlich importiert. Der schwimmende Pegasus ist bei Aquaristen besonders beliebt. Aufgrund des langen Transports und häufig nicht artgerechter Haltung überleben die empfindlichen Fische in Gefangenschaft allerdings selten lange Zeit. Das kurbelt die Nachfrage nach den gefährdeten Tieren ständig neu an.
„Medizinische Seepferdchen-Präparate sind in Deutschland noch eher selten“, erklärt Thomas Ziegler, Artenschutz-Gutachter der Bundesregierung. „Durch die Verknappung von Arzneimitteln aus geschützten Tieren kann sich das allerdings bald ändern.“ Die Nachfrage nach Arzneimitteln der traditionellen chinesischen Medizin sei in den vergangenen Jahren auch in Deutschland stark angestiegen.
Der WWF fordert deshalb die Aufnahme aller 35 Seepferdchenarten in die neue EU- Artenschutzverordnung, die am 1. Januar 1997 in Kraft treten wird. Michael Obert
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