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■ Mit Schwedens Rezession auf du und duArbeitslosenrekord

Stockholm (taz) – Die offizielle Arbeitslosenrate hat in Schweden die 10-Prozent- Marke überschritten. Für das Land ist dies ein historischer Rekord: Niemals seit Einführung einer Arbeitslosenstatistik wurde in dem traditionellen Vollbeschäftigungsland eine solche Quote notiert.

Und auch die anderen wirtschaftlichen Kennzahlen weisen für Schweden katastrophale Werte aus: Das Bruttosozialprodukt fiel in den ersten Monaten dieses Jahres um 3,8 Prozent. Der private und öffentliche Konsum ging um 5 Prozent zurück, die Investitionsrate gar um knappe 14 Prozent. Die Währung verlor zwischen 20 und 25 Prozent ihres Wertes. Erstmals findet sich Schweden auf der aktuellen OECD-Rangliste, die die Volkswirtschaften der Industriestaaten bewertet, auf dem letzten Platz.

Das immer tiefere Hineinrutschen in die Depression wurde durch die Wirtschaftspolitik der Regierung noch verstärkt, klagen Kritiker und Kritikerinnen. Denn um das Haushaltsdefizit nicht zu groß werden zu lassen, war jede fünfte Krone bei den Sozialausgaben eingespart worden; entsprechend kommt jetzt ein Großteil der Arbeitslosen aus dem traditionell umfangreichen öffentlichen Sektor. Der Abbau des Sozialstaats sorgte außerdem dafür, daß den Haushalten weniger Geld für den Konsum zur Verfügung steht. Weit und breit ist von daher nichts zu entdecken, was den vielbeschworenen Aufschwung anstoßen könnte.

Die Abwertung der Krone, auf die viel Hoffnung gesetzt worden war, begünstigt lediglich einige Exportbranchen wie die Holz- und Papierindustrie. Weil sie einerseits hoch durchrationalisiert sind und sowieso mit Überkapazitäten arbeiten, brachte ihr Exportaufschwung so gut wie keine Neueinstellungen und Zusatzinvestitionen.

Der Fall der schwedischen Volkswirtschaft ist vor allem unter historischer Perspektive dramatisch. Als die jetzige Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Carl Bildt 1991 antrat, versprach sie, die damals „rekordhohe“ Arbeitslosenrate von 2,3 Prozent, die angeblich der falschen Politik der Sozialdemokraten geschuldet war, binnen kurzer Frist vergessen zu machen. Ein Jahr später hatte sich die Rate auf über 7 Prozent erhöht. Auf diesem Niveau hielt sich die Arbeitslosigkeit bis zu dem jetzigen plötzlichen Sprung. Außer den Kündigungen im öffentlichen Sektor ist hierfür auch die hohe Zahl von nicht mehr verlängerten Arbeitsbeschaffungsprogrammen verantwortlich. Schweden galt einst als Vorbildland, was die Unterbringung von Arbeitslosen in ABM-Maßnahmen angeht. Die Regierung aber gibt sich trotz der deutlichen Krise unbeeindruckt und scheint entschlossen, ihre Arbeitsmarktpolitik fortzusetzen. Reinhard Wolff

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