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Mit Schönfärbereien in das kommende Jahrtausend

Touristiker und Naturschützer verhandelten auf dem Deutschen Umwelttag über den Tourismus der Zukunft  ■ Von Christel Burghoff

Wie kommen wir ohne Not ins nächste Jahrtausend? Wie können wir, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weiter Urlaub machen? Wie sieht der umweltverträgliche Tourismus der Zukunft aus? Alles Fragen, die Umweltschützer und sanfte Touristiker bewegen, seit das Umweltthema auf dem Tisch liegt. Nicht erst seit dem Deutschen Umwelttag (DUT) bemühen sie sich, mit der Tourismusindustrie über die anstehenden Themen ins Gespräch zu kommen. Die Zeiten, in denen man sich mied oder noch heftig stritt, weil Tourismuskritiker die Tourismusindustrie als einen der Hauptverursacher der globalen Umweltprobleme anklagten, sind lange vorbei. Heutzutage wird die Branche geradezu umworben, und auf Foren, Podien, in Workshops befleißigt man sich der partnerschaftlichen Suche nach Problemlösungen. Die Branche ihrerseits heftet sich für manches ihrer Angebote inzwischen bereitwillig geprüfte Umweltsiegel an die Brust und demonstriert damit Umwelt-Goodwill.

Das Modell des runden Tisches für touristische Zukunftsfragen wurde auch auf dem DUT praktiziert. Gegen Ende des Veranstaltungsmarathons hatte der Arbeitskreis Tourismus ins noble Hotel Frankfurter Hof (dem Sponsor Steigenberger sei Dank!) eingeladen und präsentierte die schon erprobte Runde von Praktikern und Visionären aus der Branche und dem Umweltschutz zum Thema „Tourismus 2007“. Es sollten Wege aus der ökologischen Sackgasse gewiesen und die Bedingungen für eine umweltverträgliche, nachhaltige Tourismusentwicklung aufgezeigt werden.

Was hatte man sich beziehungsweise uns zu sagen? Um die Antwort vorwegzunehmen: Der umweltverträgliche Tourismus ist machbar, so die optimistische Prognose der Beteiligten.

Prof. Hansruedi Müller aus Bern faßte die Bedingungen dafür in ein Sechs-Punkte-Programm: 1.qualitative touristische Entwicklung anstreben, 2.breite Bevölkerungskreise am Entwicklungsprozeß teilhaben lassen, 3.zu umweltverantwortlichem Handeln animieren, 4.Öko-Viren pflanzen, 5.globale Lenkungsabgaben befürworten und aktiv unterstützen, 6.Visionen entwickeln.

Erheblich konkreter als Müller mit seinen Thesen, die (in ausführlicher Fassung) leider nur vorgetragen, aber nicht diskutiert wurden, setzten sich vor allem die Fremdenverkehrsvertreter vom Bodensee und dem Salzburger Land in Szene und präsentierten ihre Regionen in schillerndstem Öko-Licht. Mit Maßnahmen wie Entzerrung der Besucherspitzenzeiten, Anhebung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer, Halbpreispaß in Zusammenarbeit mit „starken Partnern“ wie der TUI und dem NUR, Fahrradverleih oder Aktionen gegen das sogenannte Müllfrühstück will man — zumindest im Salzburger Land — längst den Fremdenverkehr reguliert und zur Freude ökobewegter Touristen auf „sanft“ umgestellt haben.

„Kommen Sie her und schauen Sie, wie schön es hier ist“, forderte Gunther Schwarz vom Bodensee- Verkehrsverein seine Zuhörer auf, und Martin Uitz vom Salzburger Landtourismus versprach jedem, der es hören wollte, daß man im Salzburger Land in eine umweltbewußte Region reise und gleichzeitig vom Massentourismus verschont werde. Schenkte man ihnen Glauben, dann gibt es sie heute schon, die schöne heile Welt aus dem Wunschpaket der sanft-touristischen Visionen. Die Darstellung der Fremdenverkehrsvertreter glich einem Reiseprospekt des Jahres 2007. Präsentierten sie die Öko-Viren, die sich so viele wünschen, oder promoteten sie ihre touristischen Regionen?

Goodwill-Aktionen und gelungene Selbstdarstellung

Festzuhalten bleibt, daß sie und andere Branchenvertreter das Podium bestens für Werbezwecke nutzten und sich, flankiert von Umweltschützern, im wesentlichen darauf beschränkten, weitere Maßnahmen und Goodwill-Aktionen (u.a. Aktionen des ADAC und des Deutschen Reisebüroverbandes) vorzustellen. Daß, wie Dieter Kramer von den Naturfreunden vorsichtig anmerkte, alle diese Maßnahmen nicht einmal ausreichen, um die Folgen fortgesetzten Wachstums zu kompensieren, war kein Thema. Der Problemhorizont der Veranstaltung war so eng gesteckt, daß der Blick über den touristischen Tellerrand unterblieb.

Beim Arbeitskreis Sport hingegen ging es über Tourismusthemen kontroverser zu. Werner Bätzing, Geograph, meldete in aufwendig begründeten Thesen grundlegende Zweifel an den sanft-touristischen Ökologisierungsvorstellungen an. Das heutige Freizeitverhalten könne prinzipiell nicht umweltverträglich gestaltet werden, weil dem modernen Menschen der innere Bezug zur Natur abhanden gekommen sei, so der Referent; wo kein innerer Bezug existiert, läßt sich auch keine Verantwortlichkeit erzeugen.

Der moderne Mensch brauche die Natur, um zentrale menschliche Defizite zu kompensieren. Folgt man dem Referenten in seiner Argumentation, so kann man umweltverantwortliches Verhalten selbstredend nicht verordnen; die berühmten „kleinen Bausteine“ greifen grundsätzlich zu kurz. Das Fazit läßt befürchten, daß mit den sanft-touristischen Erfolgsmeldungen eine chronische Schönfärberei kaputter Verhältnisse betrieben wird.

Auch die Vorstellung touristischer Alternativprojekte wie beispielsweise des „Arbeitskreises Neue Städtetouren“ fand außerhalb des AK Tourismus in anderen Zusammenhängen statt. Der Arbeitskreis, ein Zusammenschluß von Anbietern aus der Jugend-/Erwachsenenbildung und der Kulturarbeit, organisiert in verschiedenen deutschen Städten „Stattreisen“, die sich bewußt von der „voyeuristischen Reisebusfenster-Perspektive abheben.

Warum diese Fixierung auf die Tourismuswirtschaft beim AK Tourismus?

Für Frieder Stede, Generalsekretär der Naturfreunde International und Koordinator des Arbeitskreises, wurde mit dem Konzept lediglich der Dialog-Philosophie des Umwelttages Rechnung getragen, was für ihn hieß, daß möglichst „breit“ diskutiert wird; Interessenverbände der Industrie wie der Industrie- und Handelstag, der Deutsche Reisebüroverband oder der Deutsche Fremdenverkehrsverband engagierten sich bereits in der Vorbereitungsphase des Arbeitskreises.

Allerdings, so räumte Stede ein, sei man es intern längst leid gewesen, mit den Diskussionen „immer nur im eigenen Saft“ der eigenen Szene zu schmoren, man habe sich bewußt neue Partner gesucht.

Statt dem Saft der Szene gab es beim AK Tourismus also warme Luft von der Industrie. Bereits am Eröffnungstag des DUT hatte sich der BUND offiziell wegen „Industrielastigkeit“ von dem gesamten Umweltspektakel distanziert — eine politische Entscheidung, die beim AK Tourismus auf völliges Unverständnis stieß. Der „DUT von unten“ monierte in der Zeitung ver-DUT-zt heftig die „Schmuse-Dialoge“ und den Image-Transfer der Industrie.

Daß auch der Arbeitskreis Tourismus den Marktinteressen kräftig in die Hände arbeitete, focht die Sanften Touristiker nicht an. Frieder Stede hielt das Konzept für sinnig — wenn auch mit der Einschränkung, daß künftig doch wieder mehr „spezifische Elemente der Bewegung“ mit hineinmüßten. Vielleicht hat die Tourismuskritik ihre Zukunft mit dem Abgesang der Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“ aber längst verspielt. Dieser Arbeitskreis war zwar auch kritisch, aber er hatte den Weg der Andienung an die Industrie bereits bis zur Selbstauflösung vorexerziert.

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