■ Mit Rußlandhelfern auf du und du: US-Kolonisatoren
Berlin (taz) – Bevor er kam, machte er sich unbeliebt. Die US-Amerikaner würden sich weniger als die Westeuropäer für Rußland einsetzen, beschwerte sich Boris Jelzin, bevor er sich gestern mit US-Präsident Bill Clinton und US-Finanzminister Lloyd Bentsen traf. Der klaren russischen Forderung standen auf US-Seite jedoch nur schwammige Versprechungen gegenüber. So sagte Bentsen, daß die USA grundsätzlich bereit seien, „Rußland bei seinem nächsten großen Reformschritt zu helfen“.
Vorher allerdings sollen nach Bentsens Auffassung die Russen ihre Probleme am besten bereits gelöst haben: Noch mehr Privatisierungen, Reformen des Steuer- und Rechtssystems, Kürzungen im Staatshaushalt sowie ein verstärkter Kampf gegen Mafia und Korruption nannte der Finanzminister als Voraussetzung für stärkeres US-Engagement in Rußland. Rußland habe zwar deutliche Fortschritte gemacht, dürfe nun aber nicht „in Selbstzufriedenheit verharren“, sagte Bentsen.
Damit bleiben die USA ihrer bisherigen Rußlandpolitik treu. Schon unter Bush ärgerten sich die Westeuropäer über die US- „Politik mit anderer Leute Geld“ in Rußland. Bei jedem Treffen der G7-Regierungschefs (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada) forderten die USA, möglichst viel Geld für Rußland zusammenzulegen. Von Clinton stammte auch der Vorschlag, die Opfer des Transformationsprozesses (Rentner, Arbeitslose und andere Bedürftige) direkt finanziell zu unterstützen. Das würde die Akzeptanz für die Reformen in der Bevölkerung erhöhen.
Nur selbst zahlen wollten die USA dann nie: Das Engagement der US-Regierung blieb immer weit unter einer Milliarde Dollar im Jahr. Während Großbritannien Ausbildungsprojekte über den Entwicklungshilfe-Etat finanzierte, floß aus Deutschland immerhin Geld für Soldatenwohnungen. Dazu ermöglichten Hermeskredite Warenlieferungen aus Ostdeutschland. Und die Europäische Union leistet langfristig über das Tacis-Programm (2 Mrd. DM pro Jahr für die GUS- Staaten) Aufbauhilfe. Allerdings geht davon bald die Hälfte in Sicherheitstechnik für Atomkraftwerke.
Die US-Regierung bemühte zur Rechtfertigung gestern ihre Importstatistik. Danach sind die Einfuhren aus Rußland 1993 um 260 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar gewachsen. Die Struktur der Importe allerdings erinnert an die Kolonialzeit. Bodenschätze und Erdöl kauften US- Unternehmen in Sibirien, ansonsten so gut wie nichts. Donata Riedel
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