■ Mit Reiseveranstaltern auf du und du: Die Großen als Killer
Berlin (taz) – Bald werden noch mehr Neckermänner die Strände in Spanien und Thailand bevölkern. Und auch TUI, mit fünf Milliarden Mark Umsatz Größter der Pauschalreisenbranche, darf mit einem neuen Höhenflug rechnen. Kleine Urlaubsveranstalter hingegen werden reihenweise eingehen, und auch viele Reisebüros werden verschwinden.
Die anstehende Marktkonzentration hat zwei gesetzliche Ursachen. Für beide war gestern Stichtag, beide sollten eigentlich dem Wohle des Kunden dienen. Schon seit Jahren moniert das Kartellamt das Verbot der TUI gegenüber ihren Vertriebsstellen, auch Reisen des Konkurrenten NUR anzubieten. Seit dem 1. November haben die Reisebüros nun die Erlaubnis, TUI- und Neckermannkataloge ins Regal zu stellen. „Während bisher etwa 50 Prozent der Buchungen auf kleinere Veranstalter entfielen, werden sich künftig in erster Linie die beiden Großen das Geschäft teilen“, prognostiziert Burkhard Nipper vom Deutschen Reisebüro-Verband.
Mit einem ausgeklügelten Provisionssystem belohnen die Massenveranstalter nämlich die Vielverkäufer mit bis zu 14 Prozent vom Reisepreis; die anderen Anbieter können nur durchschnittlich 10 Prozent bieten. Desto mehr Kunden eine TUI- oder NUR-Reise buchen, desto höher ist der Verdienst der Reisebüros. Aber nicht alle 8.000 TUI-Verkaufsstellen werden das nächste Jahrtausend erleben. Nur wo der Umsatz 100.000 Mark übersteigt, können die Reisen des Branchenriesen auch langfristig geordert werden; sonst lohnen sich die Kosten für EDV-Anschluß und Kataloglieferung nicht. Für viele Reisebüros dürfte sich die Konzentration auf TUI und NUR deshalb fatal auswirken, zumal die kleinen Veranstalter sich andere Vertriebswege suchen. Akquisition übers interaktive Fernsehen oder Telefon werden zur Zeit ebenso geprüft wie die Zusammenarbeit mit Versandhäusern.
Auch die zweite Neuregelung auf dem Urlaubsmarkt, die gestern in Kraft trat, begünstigt die Großkonzerne. Ab sofort müssen Veranstalter dem Kunden einen Versicherungsschein aushändigen, sobald er die Hauptrate für die bevorstehende Reise vorbeibringt. Damit soll den Erholungssuchenden die Panik erspart bleiben, daß ihr Ferienorganisator pleite geht und sie umsonst bezahlt haben. Der Reisebüro-Verband hatte vorgeschlagen, eine Einheitsgebühr von einer Mark zu erheben. Da aber waren NUR und TUI davor. Weil sie als sichere Bank für die Versicherungen gelten, müssen sie nur etwa einen Groschen pro Buchung zahlen. „Wer seit Jahren seriös arbeitet, aber nicht Millionen im Hintergrund hat, muß dafür viel mehr bezahlen“, kritisiert Nipper. Annette Jensen
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