piwik no script img

■ Mit Rechten reden – Warum ein Versuch in Moers scheiterteVoltaire wäre entsetzt

Kürzlich sollte in der Volkshochschule von Moers, der kulturell ambitionierten Industriestadt am Rande des Ruhrpotts, eine Diskussion stattfinden. Thema: „Mit Rechten reden?“ In Moers lud man einen waschechten Vertreter der radikalen Rechten dazu: den französischen Philosophen Alain de Benoist, der als Vordenker der Nouvelle Droite (Neue Rechte) über Frankreich hinaus bekannt geworden ist. Er sollte sich streiten mit dem in Disputen mit Schönhuber und Haider erfahrenen SPD- Abgeordneten Peter Glotz, mit dem Berliner Kulturhistoriker Nikolaus Sombart, einem intimen Kenner der konservativen Revolution, und mir, der ich in der Geschichte der Neuen Rechten einigermaßen beschlagen bin. Als Moderatorin der Debatte war Marieluise Christadler vorgesehen, Politologin an der Duisburger Universität und eine der frühesten Kennerinnen der rechten Intelligenz in Frankreich und Deutschland.

Eine kundige Gesprächsleitung also und drei nicht ganz auf den Kopf gefallene Debatteure: das wäre kein leichtes Spiel geworden für de Benoist. Der Konjunktiv verrät schon: Die Veranstaltung fand nicht statt. Nicht, weil de Benoist gekniffen hätte. Abgesagt hat vielmehr der Kulturdezernent von Moers, denn die geplante Veranstaltung habe „in verschiedenen Gruppierungen/Gremien unserer Stadt eine starke Kontroverse ausgelöst, die sich insbesondere auf die Frage konzentriert, inwieweit es in diesen Zeiten angemessen ist, einem Exponenten der Neuen französischen Rechten in Moers ein Podium zu bieten“.

Was war im schönen Moers geschehen? In der Februarausgabe der Stattzeitung für Moers und Umgebung war als Aufmacher ein Artikel erschienen, der Überzeugungen Alain de Benoists zusammenfaßte und zum Schluß kam: „Was hat diese Gedankenwelt mit Moers zu tun? Ist sie ein Bildungserlebnis? Soll de Benoist als Spinner vorgeführt werden? Sind seine Ideen eine Gefahr für die Zukunft, so daß wir uns ernsthaft mit ihnen beschäftigen müßten? Vertritt er Thesen, die in weniger verklausulierter Form auch zum Gedankengut einer technokratischen Schicht von Akademikern gehören könnten? Denn seine Wirkung auf die normalen Bürger wird begrenzt bleiben. Ob die Veranstaltung auf diese Fragen eine Antwort geben wird?“

Nun, diese Fragen und einige mehr hätte man beantworten können. Aber sie waren eher rhetorisch gestellt. Der kleine Brandartikel, ein paar Gerüchte und anonyme Anrufe reichten aus, um Ratsmitglieder der Liberalen, Grünen und Christdemokraten in der absolut von der SPD regierten Stadt zu glühenden Kämpfern gegen den europäischen Faschismus werden zu lassen. Die Mehrheitspartei wurde unter Druck gesetzt, „in diesen Zeiten“ keine Debatte mit Rechtsradikalen in unserer schönen Stadt zu führen. Der eben erst ins Amt gekommene Kulturdezernent setzte die Veranstaltung ab, zumal nun anonyme Anrufe mit offenen Drohungen kamen: Wenn die Stadt Moers Rechtsradikalen Redefreiheit gestatte, werde es gehörig Zoff geben. Ein Anruf bei den Verhinderungsgruppen im Ruhrgebiet würde reichen.

Auch die lokale Presse rührte sich kaum, einzig im lokalen „Bürgerfunk“ und in einer Replik in der Stattzeitung wurden Bedenken laut, daß man hier womöglich das falsche Exempel statuiert haben könnte. Als das Kind im Brunnen lag, wollte es keiner hineingeworfen haben. Die Meinungsfreiheit gilt jetzt wieder sehr viel in Moers und Umgebung. Die Volkshochschule, so hört man nun, würde es glatt noch einmal probieren, nicht nur über, sondern auch mit Rechten zu reden.

Der Vorgang, der wie eine Provinzposse erscheint, ist exemplarisch und durchaus metropolenfähig. In Großstädten würde sich wohl längst kein Veranstalter mehr trauen, eine solche Diskussion anzusetzen. Kleine Störtrupps, die als selbsternannte Vorzensur bestimmen, was die Öffentlichkeit zu diskutieren und was sie zu beschweigen hat, üben erpresserischen Druck aus. Es entsteht der fatale Eindruck, „die Linke“ sei nicht fähig, sich intellektuell mit rechtsradikalen Kritikern der Demokratie, der Menschenrechte und des Multikulturalismus auseinanderzusetzen. Die liberale Umwelt gibt solchen Pressionen nach und verwirkt damit vorauseilend genau das, was sie gegen die Rechten zu schützen meint: Öffentlichkeit. Es mag sein, daß Rechtsradikale ihrerseits nicht an Debatte, sondern an medialer Wirkung und Reputation interessiert sind. Das ist aber eine Frage, die sich generell an die heutige Talk- Show-Kultur stellt, wo der Austausch von Argumenten leicht zum Schlagabtausch von Positionen verkommt, die durch Personen repräsentiert und durch Gesichter symbolisiert werden. Den Rechten das wohlvorbereitete Podium in Moers zu verweigern zeugt bereits von dieser medialen Logik, der es nicht auf Argumente, sondern allein auf Prominenz ankommt. Diese stellt sich aber auch bei einer spektakulären Sprengung weit schneller ein als bei einem gründlichen, medial gesehen jedoch „langweiligen“ Pro und Contra von Argumenten. Je stärker Debatten in der hier wieder geübten Weise polarisiert werden, desto bedeutsamer wird der phänomenale Kontext gegenüber dem diskursiven Kern.

Im Endeffekt können sich die Rechten ihrer Klientel immer als Ausgestoßene des Medien- und Meinungskartells, also als Opfer präsentieren. Wer aus dem vermeintlichen Konsens der Antifaschisten ausschert und die strittige Auseinandersetzung mit Rechten sucht, macht sich selbst verdächtig, „rechtsanfällig“ zu sein. Nicht diejenigen, die den offenen und freien Disput behindern, müssen sich rechtfertigen, sondern diejenigen, die ihn suchen, weil sie, auch und gerade in unangenehmen Fällen, der Maxime der Aufklärung folgen: „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich werde alles daransetzen, daß Sie sie frei äußern können“ (Voltaire).

Wie dieser Disput dann im einzelnen gestaltet wird, ist eine sekundäre, aber nicht unwichtige Frage. Wie oft schon sind Debatten mit Rechten an der mangelnden Vorbereitung der gegnerischen Seite gescheitert: Linke und Liberale unterschätzen die rechte Intelligenz oder rechtsradikale Parteileute, die sie eben noch dämonisiert hatten. Sie machen sich lustig, wo es ernst wird, und es fehlt ihnen an souveränem Humor, wo man Rechts partout nicht mehr ernst nehmen kann. Auch die Wahl des Ortes ist nicht unbedeutend. Das Fernsehen, auch in seiner seriöseren Ausprägung, unterliegt oft einer verhängnisvollen Dramatisierung und Polarisierung. Nur auf gut vorbereitete und moderierte Diskussionen sollte man sich an diesem prekären Ort einlassen. „Mit Rechten reden“ sollte man lieber auch nicht in einer mittelmäßigen Wochenpostille wie der Jungen Freiheit, die Interviews mit prominenten Gegnern vor allem aus PR-Gründen macht und sich journalistisch der übelsten Methoden bedient. Wenn doch jemand dieser total überschätzten, vom linksliberalen Feuilleton hochgeredeten Zeitung einen Beitrag liefert, wie kürzlich Wolfgang Templin, mag dies Anlaß zur Manöverkritik sein, aber keinesfalls Grund für den Parteiausschluß oder andere Repressalien, wie es verrückt gewordene Funktionäre in Betracht gezogen haben, die selbst bedenkenlos dem Neuen Deutschland Interviews gewährt hätten – auch vor 1989. Claus Leggewie

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen