piwik no script img

■ Mit Plutonium-Kontrollen auf du und duÜberall Lücken

Berlin (taz) – Der Münchner Plutonium-Fund vom 10. August muß nicht zwingend aus Rußland stammen. Greenpeace hat gestern darauf hingewiesen, daß das Plutonium der Zusammensetzung nach im Prinzip auch aus Anlagen in Frankreich, den USA, England, Spanien, Belgien oder Italien stammen könne. Weltweit gebe es 26 Atomstandorte, davon drei in Rußland, die als Produktionsorte für die am Münchner Flughafen gefundenen 350 Gramm in Frage kommen können.

Das Münchner Atommaterial setzt sich nach Greenpeace- Recherchen aus 350 Gramm 87prozentig reinem Plutonium 239 und 121 Gramm Uran mit einem Anreicherungsgrad Uran 235 von 1,6 Prozent zusammen. Bei dem Plutonium-Anteil handelt es sich damit um typisches fuel-grade-Plutonium. Die Produktion dieses Plutoniums erfolge nicht zwingend in militärischen Anlagen, sondern sei vielmehr abhängig vom Reaktortyp und dem Abbrandgrad des Brennelementes. Dieses Plutonium könne sowohl als Brennstoff in Atomkraftwerken eingesetzt werden als auch als Bombenstoff dienen. Eine genaue Aussage über die Herkunft des Münchner Fundes, so Greenpeace, sei erst dann möglich, wenn sowohl das Alter des Materials bestimmt wurde als auch Vergleichsproben aus den in Frage kommenden Anlagen zur Verfügung stünden. Die vorhandenen Schwächen und Lücken des internationalen Kontrollsystems hält Greenpeace-Atomexpertin Inge Lindemann für so eklatant, daß sie die Möglichkeit der Herkunft aus westlichen Anlagen nicht ausschließt.

Die Kontrollsysteme sind durch den Atomwaffensperrvertrag geregelt und werden durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) als Überwachungsorgan eher schlecht als recht ausgeführt: Mindestens ein Prozent des Spaltstoff-Inventars, das entweder im Prozeßverlauf der Anlage verlorengeht, bei Meßfehlern verschwindet oder aber eben für kriminelle Zwecke abgezweigt wird, gilt ohnehin als unauffindbar. Die IAEO schlägt erst dann Alarm, wenn „signifikante“ Mengen“ verschwinden. Diese Mengen werden anlagenspezifisch festgelegt: Bei Atomreaktoren entspricht das ungefähr acht Kilogramm Plutonium. Zum Bau einer Atombombe sind dagegen nur zwei bis acht Kilogramm Plutonium erforderlich. Die Inspektoren haben keine Sanktionsmöglichkeiten bei der Entdeckung einer möglichen kriminellen Abzweigung. So verschwanden 1994 in der japanischen Brennelemente-Fabrik Tokaimo 70 Kilogramm Plutonium. Die Betreiber erklärten das mit Buchführungsfehlern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen