: Mit Pauken und Trompeten
In Düsseldorf haben sich gleich zwei neue Orchester formiert. Die Mendelssohn Philharmonie möchte sogar die erste Geige in NRW spielen. Aber da sind ja noch die Musiker von RheinKlang. Ein Vergleich
VON REGINE MÜLLER
Man glaubt seinen Ohren kaum. In finanziell dürrer Zeit formieren sich in der Landeshauptstadt gleich zwei neue Orchester: die „Mendelssohn Philharmonie“ und das Orchester „RheinKlang“. Beide Ensembles sind allerdings nicht zu verwechseln mit Berufsorchestern, mit Tarifentlohnung und festem Stellenbestand. Die Neugründungen verdanken sich privater Initiative, dem Geld von Sponsoren und rekrutieren sich aus einem freien Musikerzirkus, dem sowohl Musiker mit festen Stellen angehören, als auch freie Musiker und frisch diplomierte Absolventen.
Wie in der Alten-Musik-Szene, die (noch) keine städtisch fest installierten Orchester kennt, ist das Phänomen des Telefon-Orchesters auch hier immer deutlicher zu erkennen: Wie das Ensemble heißt, das auf die Bühne kommt, hängt nur davon ab, wer den Telefonhörer in die Hand genommen hat. Wie in der Theaterwelt durchdringen sich feste und freie Szene auch in der Orchesterlandschaft mehr und mehr. So übersteigt die Zahl der Aushilfen in den festen Orchestern an manchen Abenden die Zahl der angestammten Orchestermitglieder. Und umgekehrt: Kommt etwa die 1987 gegründete „Westdeutsche Sinfonia“ auf die Bühne, sieht man etliche Gesichter aus den städtischen Orchestern von Düsseldorf und Essen.
In der Mannschaftsaufstellung der neuen „Mendelssohn Philharmonie“ sieht es ähnlich aus, wenngleich dort der Jugendanteil besonders hoch ist. „Muckenhaufen“ lautet der abwertende Fachbegriff für den Phänotyp des zusammen gerauften Klangkörpers. Doch ob Muckenhaufen oder Elite-Ensemble entscheidet sich letztlich durch Konzept und Motivation der Leitung. Der „Mendelssohn Philharmonie“ steht mit dem Cellisten und Dirigenten Johannes Goritzki ein erfahrener Musiker vor. Der nimmt den Mund dennoch reichlich voll, indem er verspricht, als musikalische Visitenkarte Düsseldorfs, ja Nordrhein-Westfalens fungieren zu wollen. Und das ganz ungefragt. Zum Gründungskonzert im Alten Kesselhaus der Böhler Werke kam gleich ganz Düsseldorf. Sicherlich auch dank des prominenten Schirmherrn: Paul Spiegel.
Das luxuriös klingende, in romantischer Tradition aufspielende Orchester lieferte eine solide, doch altväterliche Vorstellung ab. Die erste Hälfte bestritt der blutjunge Dirigier-Star Alexander Shelley, der seinem Ruf als Teufelsbraten alle Ehre machte. Dann gab es gab Mendelssohn und Dvoraks Cellokonzert, das Goritzki mit Anstand über die Bühne brachte. Was den Gründern außer einer unverbrauchten Besetzung und der gediegenen Mendelssohn-Pflege mit dem Orchester sonst noch vorschwebt, bleibt unklar. Die Ankündigung einer „Tour d‘amour“ mit Crossover-Sperenzchen lässt nichts Gutes ahnen.
Ganz anders dagegen das Orchester „RheinKlang“: Rhein klingt gesprochen wie „rein“ und meint den authentischen Klang historischer Instrumente der Schumann- und Mendelssohn-Zeit. „Rhein“ ist aber auch eine musikalisch-historische Ortsbestimmung. Das junge Orchester will spezifisch rheinische Musik ausgraben, besonders liegt dem Team um Martin Schmeding und die Violinistin Lisa Marie Landgraf die Wiederbelebung des vergessenen Norbert Burgmüller am Herzen. Hier also ein erkennbares Konzept. Schütter besetzt war zwar das „RheinKlang“-Konzert in der Aula des Luisen-Gymnasiums. Dennoch: reiche Klangfarben, klare Strukturen, uneitles Musizieren – davon wünschte man Goritzkis Orchester mehr. Und der „RheinKlang“-Truppe mehr Präsenz.