■ Mit Löhnen und Preisen auf du und du: Löhne gegen Inflation
Rio de Janeiro (taz) – Bisher rannten die Preise den Löhnen davon. Seit gestern nun sollen Löhne und Gehälter den Wettlauf gegen die tägliche Verteuerung gewinnen. Dies ist die Essenz des neuen Anti-Inflations- Programmes, das Brasiliens Wirtschaftsminister Fernando Henrique Cardoso seinen erstaunten Landsleuten präsentierte.
Die magische Formel des 14. Stabilisierungsversuchs seit 1979 lautet „Unidade Real do Valor“, kurz URV. Mit diesem Index, der pro Einheit etwa einem US-Dollar entspricht, sollen Löhne, Gehälter, Renten, Mieten sowie Geschäftsverträge täglich an die Inflation angeglichen werden. „Dies bedeutet, daß die Unternehmer denselben Prozentsatz, mit dem sie ihre Preise erhöhen, auch auf die Gehälter ihrer Angestellten draufschlagen müssen“, erklärt Wirtschaftsberater Antonio Kandir. Die Preise könnten den Löhnen nicht davonlaufen.
Als Grundlage der Indexierung für Löhne und Gehälter dient der Mittelwert der vergangenen vier Monate. Der gesetzliche Mindestlohn wurde auf umgerechnet 65 US-Dollar festgelegt. Exzessive Preiserhöhungen sollen durch Importe und Gesetze verhindert werden.
Wirtschaftsminister Cardoso beteuerte, daß es sich bei dem Anti-Inflations-Paket nicht um eine Dollarisierung wie im Nachbarland Argentinien handele. Vielmehr solle der URV in einer zweiten Phase die jetzige Währung „Cruzeiro“ ersetzen. Vor der Verwandlung des Index in eine harte Währung müsse jedoch die Hauptursache der Inflation, das brasilianische Haushaltsdefizit, abgebaut werden. Zu diesem Zweck seien weitere Privatisierungen und eine Steuerreform notwendig.
Die wirtschaftlichen Bedingungen für den Erfolg des Anti- Inflations-Programms sind zur Zeit günstig. Die brasilianische Zentralbank verfügt über ein Rekordvolumen von Auslandsreserven in Höhe von 30 Milliarden Dollar. Inflationsschübe durch die Erhöhung öffentlicher Tarife sind nicht zu befürchten, da die Gebüren bereits stufenweise angehoben wurden. Astrid Prange
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