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Archiv-Artikel

Mit Kunstharz den Reaktor flicken

FUKUSHIMA Den Technikern im havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi gelingt es nicht, einen Riss in einem Reaktorschacht abzudichten

Eine schwimmende Plattform wird erwartet. Ihre Wassertanks können rund 10.000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser aufnehmen

TOKIO afp/dpa | Aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima tritt radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik aus. Nach Angaben des Betreibers Tepco versuchten Arbeiter am Sonntag zunächst vergeblich, einen Riss am Leitungssystem des Reaktorgebäudes 2 abzudichten. Ein Regierungsberater warnte, dass es noch Monate dauern könne, bevor der Austritt von Strahlung vollständig gestoppt sei.

Nach Angaben von Tepco setzten die Arbeiter am Sonntag eine Mischung aus Kunstharz, Zeitungspapier und Sägespänen ein, um den Riss zu kitten. Radioaktiv verseuchtes Wasser, das sich bei den Kühlarbeiten am Reaktordruckbehälter im Untergeschoss des angrenzenden Turbinengebäudes gesammelt hatte, war in eine Betongrube gelangt. Von dort aus ist es in den Ozean geflossen.

Die Arbeiter setzen Betonpumpen mit einem Teleskoparm ein, um Wasser auf die Reaktordruckbehälter zu sprühen. Nach Angaben der Zeitung Yomiuri Shimbun werden so täglich 550 Tonnen Wasser versprüht. Die US-Niederlassung des deutschen Maschinenbauers Putzmeister kündigte an, zur Unterstützung der Kühlarbeiten in Fukushima kommende Woche zwei der weltweit größten Betonpumpen mit einem Transportflugzeug nach Japan zu schicken.

In den kommenden Tagen soll zudem eine 136 mal 46 Meter große schwimmende Plattform vor dem Atomkraftwerk eintreffen, in deren Wassertanks rund 10.000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser aus den Reaktorgebäuden gepumpt werden können.

Ein Berater von Regierungschef Naoto Kan, Goshi Hosono, sagte dem Fernsehsender Fuji TV, es sei mit einer „langen Schlacht“ in Fukushima zu rechnen. Es werde wahrscheinlich noch „mehrere Monate“ dauern, bevor der Austritt von Strahlung aus den beschädigten Reaktoren gestoppt werde. Besonders die mehr als 10.000 in Abklingbecken gelagerten gebrauchten Brennstäbe stellten weiterhin eine Gefahr dar.

Mehr als 25.000 japanische und US-Soldaten setzten am Sonntag in der Unglücksregion eine dreitätige Suchaktion nach Leichen fort. Die Soldaten entdeckten 176 weitere Leichen. Auch auf dem Gelände der Atomanlage wurden die Leichen von zwei Mitarbeitern gefunden, die offenbar durch die Flutwelle starben. Die Gesamtzahl der Toten und Vermissten durch die Katastrophe vor drei Wochen liegt bei mehr als 27.500.

In der Hafenstadt Minamisanriku starteten die Behörden am Sonntag eine Massenevakuierung. 1.100 Menschen, die durch die Tsunamikatastrophe obdachlos wurden, mussten wegen der schwierigen Unterbringungs- und Versorgungslage in andere Städte verlegt werden.

Erstmals wurde auch die Radioaktivität in der Luft innerhalb der 20-Kilometer-Zone gemessen. Dabei wurden Werte von bis zu 50 Mikrosievert pro Stunde ermittelt. In Deutschland liegt die natürliche Hintergrundstrahlung bei rund 2,4 Millisievert.