: Mit Kompromissen in die nächste Runde
■ Eine kommentierte Nachlese von der 3. Aktionskonferenz gegen die IWF– und Weltbank–Tagung / Fraktionen haben ihre Interessen gewahrt - einstweilen
Von Dietmar Bartz
Kompakt ist das Paket, das die 3. Aktionskonferenz der IWF/Weltbank–Tagung am Wochenende in Berlin geschnürt hat (taz vom 25.4.). Waren die Befürchtungen des BUKO (Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen) und anderer Gruppen aus der westdeutschen Koordination bestätigt, daß der West–Berliner Wahlkampf die Inhalte und Formen der Aktionswoche im September verändern könnte? Der Konflikt entzündete sich, wie nicht anders zu erwarten, an organisatorischen Fragen. Der BUKO ging geschwächt in die Auseinandersetzung: Mit der harschen Kritik der Autonomen, die dem BUKO seine Beteiligung an der „reformistischen“ Nord–Süd– Kampagne des Europa–Rates vorwerfen, ist der BUKO einen zumindest ideellen Bündnispartner losgeworden. Der BUKO hatte den Samstagnachmittag für Demo und Kundgebung gefordert, die West–Berliner Koordination hingegen, in der Jusos, SEW und vor allem die AL den Ton angeben, wollte den „massenpolitischen Höhepunkt“ am Sonntagnachmittag stattfinden lassen. Das aber hätte, so die Argumentation aus der BRD, wegen der langen Rückfahrtzeit den faktischen Ausschluß vieler IWF– und Weltbank– GegnerInnen von der Demo bedeutet - Absicht, um Militanz zu verhindern? Gegen den Vorwurf der Wahltaktik (taz vom 23.4.) setzten sich die Parteienvertreter scharf zur Wehr. AL–Mitglieder riefen dazu auf, „das ungeheure Mißtrauen gegenüber den Berlinern aufzugeben“, und bezeichneten es schlicht als „weltfremd“, einem aus Westdeutschland dominierten Träger kreis die Einschätzung der politischen Situation, die Organisation der Demo und auch die Festlegung der Route zu überlassen. Das gewichtigste Argument war jedoch ebenfalls eine Formalie: Eine Demo am Samstagnachmittag hätte den Gegenkongreß, der zu diesem Zeitpunkt noch von Freitagabend bis Sonntag stattfinden sollte, zerrissen. In dieser komplizierten politisch–organisatorischen Lage spielte das Ausgangsproblem keine Rolle mehr: die finale Straßenschlacht zur Verhinderung der IWF–Tagung, die immer noch in einigen Köpfen herumspukte. Erleichterung war zu registrieren, als die Beobachter der Autonomen zu Beginn der Konferenz noch einmal das Ergebnis der Bremer Internationalismus–Tage bekanntgaben: keine Beteiligung an der Kampagne, stattdessen eigene Aktionen, die nicht mit denen der Kampagne kollidieren sollen. Wenn nicht die westdeutschen Autonomen auf eine Demo mobilisieren, von der die Berliner Autonomen nichts halten, ist die Angst vor der ungeliebten Militanz gegenstandslos geworden. Die vor Wahlkampf–Taktiere reien allerdings nicht. Wirbel hatte vor einigen Wochen in West– Berlin eine Pressekonferenz der AL ausgelöst, in der das Grob– Programm für den Protest–September vorgestellt wurde. Prompte Folge: Die Aktionen gingen als AL–Vorhaben durch die Presse, und die AL kassiertein der West–Berliner Koordination heftige Kritik dafür. Zu den Gewinnern wird die AL dennoch gehören, wenn die Kampagne im Herbst phantasievoll, unter großer Beteiligung und in halbwegs geordneten Bahnen über die Weltbühne Berlin gehen wird. Überhaupt kann sich wohl einstweilen keine der beteiligten Fraktionen Extratouren leisten. Wenn die AL nicht noch einmal solche „Irritationen“ auslöst wie im März, findet auch die mühsam unterdrückte Unruhe unter den eher AL–abgeneigten Gruppen in der Anti–IWF–Kampagne kein Ventil. Etwas anderes ist das unmittelbar vor und während der Aktionswoche - dann sind die Parteiapparate und der Zwang zur Solidarität so notwendig, daß kaum noch Raum für handfesten Krach bleibt. Auf der Aktionskonferenz wurde das Knäuel unterschiedlicher Interessenslagen schließlich durch einen Kompromiß entwirrt. Demo am Sonntagvormittag, Öffnung des Trägerkreises auch für nicht–Berliner Organisationen, und wer mit der Demo immer noch Schwierigkeiten hat, kann auch bloß zur Teilnahme am Gegenkongreß aufrufen. Wer die gesamte Aktionswoche trägt, ist ohnehin nicht an der Unterschrift zu erkennen, sondern nur an dem, was tatsächlich im September auf die Beine gestellt wird: Der gemeinsame Aufruf trägt den Namen der Aktionskonferenz selbst, nicht aber den von einzelnen Organisationen. „Den Einfluß der Parteien haben wir zurückgedrängt“, schmunzelte denn auch das Mitglied einer westdeutschen Afrika– Gruppe. Noch einen weiteren Vorbehalt setzte der BUKO durch: Der Arbeitsausschuß, der sich jetzt an die Organisation von Gegenkongreß und Demo machen wird, darf keine Entscheidungen fällen, die über die Beschlußlage vom Wochenende hinausgehen. Deswegen wird es auch die 4. Aktionskonferenz im Juni geben, für die sich zumindest ein Streitpunkt schon andeutet: Dürfen Parteienvertreter auf der Abschlußkundgebung Reden halten oder nicht? Erst nach dieser 4. Konferenz wird sich zeigen, wie weit der Wahlkampf die Inhalte überlagert. Über die formelle Zusammenarbeit ist dies jedenfalls zunächst ausgeschlossen. Doch nicht nur der BUKO hat Grund zur Zufriedenheit, sondern auch die West–Berliner Koordination: Gerade für die anstehenden organisatorischen und politischen Fragen zeichnet sich eine Beantwortung „aus der West–Berliner Einschätzung heraus“ ab. So akademisch ist das Problem nicht: Was tun, wenn sich ein Demo– Verbot abzeichnet, Auflagen verhängt oder Polizeigespräche geführt werden? Was bedeuten mögliche Notstandsmaßnahmen in Berlin für dezentrale Aktionen wie etwa Blockaden? Ebenfalls organisatorisch wird wohl auch ein anderer Konflikt gelöst werden. Die Umweltschutzverbände werden sich bei einer Konferenz am kommenden Wochenende voraussichtlich nicht darauf einigen, auf dem Gegenkongreß den „Öko–Schwerpunkt“ zu bilden. Der Widerstand dagegen kommt vor allem vom Deutschen Naturschutz–Ring, der in der Verbands–Szene als behäbig gilt, aber auf seine zwei Millionen Mitglieder verweisen kann. Animositäten gibt es jedoch auch von der anderen Seite: „Denen gehts um die Natur, nicht um das Verhältnis von Natur und Mensch“, beschreibt ein BUKO–Aktivist. Ein Kompromiß scheint aber auch hier möglich: Gegenkongreß wie auch die Veranstaltung der Umweltschutzverbände könnten nebeneinander im gleichen Gebäude stattfinden.
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