■ Mit Japans Bahnschulden auf du und du: Schlechtes Vorbild
Tokio (taz) – Japan ist das große Vorbild für die deutsche Bahnreform. Was passiert, wenn man den Schuldenabbau der Bahn in die Länge zieht, um Haushaltslöcher zu stopfen, sollte Verkehrsminister Matthias Wissmann ebenfalls dort studieren. So prägend einst die japanischen Erfahrungen für die Privatisierung der Bundesbahn waren, so verheerend wäre es heute, wenn sich deutsche Politiker auch in Sachen Schuldentilgung nach dem japanischen Beispiel richteten.
Alles was schiefgehen konnte, ist bei der Abtragung – oder besser: Anhäufung – der Bahnschulden in Japan schiefgegangen. Inzwischen muß jeder Japaner fürchten, für die seit zehn Jahren verschleppten Schulden der ehemaligen japanischen Staatsbahn mit umgerechnet 3.000 Mark einstehen zu müssen. Steuererhöhungen oder teurere Fahrscheine könnten schon in den nächsten Jahren die Folge politischer Leichtsinnigkeit und Schlamperei sein.
Das Unheil begann bereits 1987, im Jahr der japanischen Bahnreform. Die „Japan National Railways Settlement Corp.“ (JNRSC) – vergleichbar mit dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV) – hatte es von Anfang an nicht eilig, die ihr zugeteilten Landbesitze der Bahn zu verkaufen oder die ihr unterstellte Börseneinführung der neuen privaten Bahngesellschaften zu betreiben. Die Folge: Die Immobilienwerte der Bahn verloren an Wert, und die Aktienwerte fielen, als man endlich an die Börse ging. So konnte die JNRSC innerhalb von acht Jahren zwar 150 Milliarden Mark einspielen. Doch alle Einnahmen wurden durch die Zinstilgung von zuletzt jährlich 18 Milliarden Mark aufgefressen. Wird nun die JNRSC, wie vom Gesetz vorgesehen, 1998 ihre Restschulden an den Staat übergeben, sind die ursprünglichen Lasten von rund 300 Milliarden Mark nicht weniger geworden, wohl aber der Immobilienbesitz.
Zukunftsinvestitionen in die Bahn werden vor diesem Hintergrund in Japan fast unmöglich – und das in einem Land, wo Politiker in der Regel nicht um Autobahnen, sondern um Schnellbahnstrecken für ihren Wahlkreis buhlen. Auch ist nicht zu erwarten, daß der Autoverkehr etwa mit einer Benzinsteuer büßen muß. Am Ende könnte sich herausstellen, daß die bisherigen Vorzüge der Bahnprivatisierung – besserer Service und schnellere Züge ohne starke Fahrpreiserhöhungen – auf Sand gebaut waren. Die Gefahr ist groß, daß Bahnfahrer und Steuerzahler für ein Jahrzehnt handlungsunfähiger Verkehrspolitik einstehen müssen. Georg Blume
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