■ Mit Horrorzahlen auf du und du: Schummelnde Konzerne
Hannover (taz) – Der Jammer der AKW-Betreiber ist groß: Handstreichartig wolle die Regierung die Stromkonzerne plündern, klagte etwa der Chef der PreussenElektra. Eine zusätzliche Steuerbelastung von 25 Milliarden Mark haben die Energieversorger errechnet, falls sie die steuerfreien Rückstellungen für den Abriß ausgedienter AKWs und die Beseitigung des Atommülls zum Teil wieder auflösen und nachversteuern müssen. Das Bundesfinanzministerium macht eine andere Rechnung auf: Auf alle AKW-Betreiber komme in den nächsten vier Jahren nur 6,5 Milliarden Mark Steuern dazu – gut 1,6 Milliarden pro Jahr.
Die Betreiber haben geflissentlich verschwiegen, daß sie die aufzulösenden Rückstellungen keineswegs auf einen Schlag nachzuversteuern haben. Gleich verteilt über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen Steuern aus der Auflösung von Rückstellungen der Staatskasse zufließen. Aber auch wenn man die fälligen Jahresraten zusammenrechnet, kommt man auf bloß 16 Milliarden. Die von den Stromversorgern behaupteten 25 Milliarden ergeben sich erst, wenn man auch noch künftige Steuerersparnis durch solche Rückstellungen mit einberechnet, die die AKW-Betreiber jetzt nicht mehr machen dürfen.
Die AKW-Betreiber haben ohnehin schon lange ihre Entsorgungsrückstellungen zu Lasten von Steuerzahlern und Stromkunden systematische überhöht, wie eine Studie des Freiburger Öko-Instituts beweist. Auf 1,5 bis 1,6 Pfennig pro Kilowattstunde Atomstrom schätzen die Betreiber die Kosten für AKW-Abriß und Atommüllentsorgung. Im Jahr 1996 hatten sie zusammen aber bereits 3,2 Pfennig zurückgelegt oder schon bezahlt. Die jetzige Neuregelung zweifelt die Höhe der Rückstellungen, die zumeist erst in Jahrzehnten tatsächlich für die Entsorgung anfallen, nicht einmal an. Die Steuernachzahlungen resultieren vor allem aus einer jährlichen Abzinsung, die auch rückwirkend gelten soll. Künftig gehen die Finanzämter zu Recht davon aus, daß sich jede rückgestellte Mark pro Jahr durch Verzinsung um 5,5 Prozent vermehrt. Um dies oft schon über viele Jahre angefallenen Zinserträge müsse die AKW-Betreiber nun ihre Rückstellungen vermindern. Jürgen Voges
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