■ Mit Grundbedürfnissen auf du und du: Der 20:20-Vertrag
Berlin (taz) – Welche Kriterien muß ein Entwicklungsland erfüllen, um möglichst viel Entwicklungshilfe zu erhalten? Demokratie, Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt – so proklamieren es die Geberländer oft genug.
In Wirklichkeit bekommen diejenigen Länder des Südens am meisten, die nicht allzu arm sind, von autoritären Regimen geführt werden und besonders viel für Rüstung ausgeben. Die ärmsten 40 Prozent der Entwicklungsländer erhalten pro Kopf ihrer Bevölkerung nur halb soviel wie die wohlhabenderen 40 Prozent. Länder mit hohen Rüstungsausgaben werden mit zweieinhalb mal mehr Entwicklungshilfe pro Kopf bedacht als (strategisch uninteressante) Länder mit geringen Militärausgaben.
Die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse dagegen – Grundschulbildung für alle, Basisgesundheitsdienste, Versorgung mit sauberem Trinkwasser, Beseitigung der Mangelernährung und freiwillige Familienplanung – spielt eine untergeordnete Rolle, bei Gebern wie Nehmern. Die Geberländer wollen lieber ihre kommerziellen Interessen in den Entwicklungsländern wahren; die Empfängerregierungen bevorzugen prestigeträchtige Großbauten und die Zufriedenstellung der städtischen Bevölkerung.
Auf dem von der UNO Anfang März in Kopenhagen veranstalteten Weltsozialgipfel soll unter anderem eine Lösung erarbeitet werden, wie die Entwicklung der Ärmsten besser gefördert werden kann. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat ausgerechnet, daß dazu jährlich 30 bis 40 Milliarden US- Dollar nötig sind, gerade mal soviel, wie die Bundesrepublik jährlich als Außenhandelsüberschuß erwirtschaftet.
Um die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken, müßten die Regierungen durchschnittlich 20 Prozent ihrer Ausgaben (statt bisher 13 Prozent) dafür vorsehen, schätzt das UNDP. Die reichen Länder geben gar nur sieben Prozent ihrer Hilfszahlungen für die vorrangigen Ziele der menschlichen Entwicklung aus. Sie sollen sich verpflichten, diesen Anteil auf 20 Prozent zu erhöhen. Durch diese Umschichtung, zum Beispiel im Bildungsbereich von elitärer Hochschul- hin zu breiter Grundschulbildung, könnten 100 Milliarden Dollar für die menschlichen Grundbedürfnisse zur Verfügung stehen. Nicola Liebert
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