■ Mit Datenleitungen auf du und du: Konzerne im Vorteil
Berlin (taz) – Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar möchte ein Wasserrohr durch Ihren Garten verlegen und muß dabei eine Schneise durch die in voller Blüte stehende Stachelbeerhecke schlagen. Sie würden sich mindestens die Sträucher bezahlen lassen – vielleicht noch ein paar Mark zusätzlich.
Die Städte und Gemeinden reklamieren in Sachen Telekommunikation jetzt ein ähnliches Recht. Firmen, die Telefon- und Datenleitungen unter öffentlichen Straßen verlegen, sollen künftig dafür an die Kommunen Abgaben entrichten. Doch der Entwurf für das neue Telekommunikationsgesetz sieht vor, daß private Netzbetreiber ihre Leitungen kostenlos in kommunaler Erde vergraben dürfen. Das Gesetz tritt in Kraft, wenn am 1. Januar 1998 das bisherige Postmonopol fällt.
Damit würden die Gemeinden um Einnahmen in Milliardenhöhe gebracht. In den USA nehmen die Städte pro Meter Kabelverlegung durchschnittlich fünf Mark ein. Auf der britischen Insel zahlt allein die Telekom dreistellige Millionenbeträge an die Gemeinden.
Peter te Reh, Referent für Telekommunikation beim Deutschen Städtetag, fragt, warum in aller Welt ein „kostbares Wirtschaftsgut wie das öffentliche Straßenland einem Unternehmen gratis überlassen werden soll“. Energieversorger müßten für ihre Stromleitungen schließlich auch Abgaben an die Städte zahlen. Ein Gutachten habe zudem ergeben, daß das neue Gesetz einen unzulässigen Eingriff in kommunale Kompetenzen darstelle. Er kündigte Verfassungsbeschwerde an.
Wichtiger als die Haushaltskonsolidierung der Städte seien die möglichen Einnahmen von mittelständischen Unternehmen, kontert Harald Dörr, Sprecher von Postminister Wolfgang Bötsch. Er vermag aber nicht zu sagen, ob die Betreiber lokaler Netze den Großkonzernen wie Telekom, RWE und Vebakom, die in erster Linie von dem kostenlosen Wegerecht profitieren, einen nennenswerten Marktanteil abjagen können. Hannes Koch
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