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Archiv-Artikel

Mit Bildern tut’s weniger weh

Mozart als Trickfilm-Held, Beethoven auf Großbildleinwand? Bei der Tagung „The Look of the Sound“ wurde erörtert, wie man Klassik mit Hilfe von Film und Video schmackhaft machen kann

Von abe

Bremen taz ■ „TaTaTaTAA!“ Das kennen sie alle. Die blondgesträhnten Mädels auf Shoppingtour, die Glühweinseligen mit blinkenden Weihnachtsmann-Mützen, die kulturbeflissenen Touristen. Aber wie geht er weiter, der donnernde Anfang von Beethovens Fünfter Symphonie? Munter wird ins Mikrofon improvisiert, geschmettert, gebrummt. Zwei Nachwuchs-Filmemacher der Filmhochschule Köln waren auf der Jagd nach Erinnerungsfetzen an die größten Hits des Meisters. Der Kurzfilm ist Teil des Filmprojektes „Look at Beethoven“, das sich am Wochenende auf der Tagung „The Look of the Sound“ präsentierte.

Neue Wege jenseits des Fernsehens einen visuellen „Mehrwert“ von klassischer Musik zu schaffen oder gar eine ganz neue Generation von Klassik-Konsumenten anzulocken, standen beim diesjährigen Forum im Mittelpunkt: Der Pay-TV-Sender „Classica“ setzt auf Kurz-Clips à la MTV von Opernarien oder Konzertsätzen. Der Regisseur Oliver Becker mixt in der Fernseh-Reihe „Monumente der Klassik“ dokumentarische Sequenzen mit Trickfilmen, in denen man etwa einen Simpsons-gelben Mozart seine Eingebungen aus dem Klacken der Billardkugeln ziehen sieht. Ex-Glocke-Chefin Ilona Schmiel, jetzt Intendantin des Bonner Beethovenfestes, setzt auf den Multiplikator-Effekt der jungen Filmemacher: Wofür sich hippe Nachwuchskreative begeistern, kann nicht out sein, soll der junge Zuschauer denken.

„Die Clips können auf einer oberflächlicheren Ebene funktionieren als die Musik, schaffen einen Wiedererkennungswert“, findet Schmiel. Dass man mehr davon hat, wenn man weiß, wie Beethovens Fünfte richtig geht, ist für sie kein Widerspruch. Das könne ja motivieren, sich tiefer mit Beethoven auseinander zu setzen. Der Konsum von Klassik-Formaten im Fernsehen oder auf DVD kann das Gemeinschaftserlebnis Konzert nicht ersetzen, Beethovens gewaltige „Reden an die Menschheit“ verhallen im Äther – das blieb auf der Tagung unbestritten. Doch Videojockeys ziehen auch in die Konzerthäuser ein. Beim Beethovenfest werden Schlagzeug-Bearbeitungen von Werken des Meisters zu hören sein, dazu ein Bild-Mix aus unterschiedlichen Kameraperspektiven auf die Musiker und vorproduzierten Filmsequenzen.

Der „Mehrwert“ durch das synästhetische Erlebnis aber bleibt umstritten. Für WDR-Musikredakteur Lothar Mattner stehen Meisterwerke für sich. Als gelungenes Beispiel für eine puristische Visualisierung zeigt er eine Konzertaufnahme mit der Dirigentenlegende Sergiu Celibidache. Der scheint weniger ein Orchester zu leiten, als die Musik mit theaterreifen Gesten und bärbeißiger Mimik zu verkörpern. Auch das, wendet ein Zuhörer ein, ist eine Inszenierung. Wenn man sich von den Bildern erschlagen fühlt, findet Schmiel, kann man sich immer noch an die Musik halten. Doch an der Seite zeitgenössischer Musik entfalten sie ihrer Meinung nach eine nahezu therapeutische Wirkung: „Mit der Visualisierung tut es nicht so weh.“ abe