■ Mit Autobahnausbau auf du und du: Schneller mit Tempo 80
Berlin (taz) – Braucht Deutschland neue Autobahnen? Und wenn ja, wie viele? Die Bundesregierung hat diese Fragen schon 1992 gleich für einen Zeitraum von zwanzig Jahren – bis 2012 – beantwortet. Noch rund 1.900 neue Autobahnkilometer sollen bis dahin geschaffen werden. Dann würde das Netz, das heute schon das dichteste der Welt ist, 13.200 Kilometer umfassen. So sieht es zumindest der Bundesverkehrswegeplan. Die sonst bei so langfristigen Konzepten übliche Überprüfung nach fünf Jahren Laufzeit ließ die Regierungskoalition 1997 aus Kostengründen entfallen, obwohl die Bündnisgrünen nach der Prüfung von Einzelprojekten eine Überarbeitung angemahnt hatten.
39 Prozent der knapp 540 Milliarden Mark, die für die Verkehrsinvestitionen im Gesamtzeitraum vorgesehen sind, sollen für Neubau und Verbreiterung von Autobahnen und Bundesstraßen ausgegeben werden. Daß sich daran etwas ändern könnte, darüber wollen Bundesregierung, aber auch Teile der SPD nicht einmal nachdenken. Damit werde der Aufbau Ost torpediert, reklamierte die FDP.
Der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Verkehrsminister Bodo Hombach (SPD) machte es sich noch einfacher, indem er pauschal erklärte, die bestehenden Straßen seien „bereits überlastet“ und die Menschen „wollten sich nicht gängeln lassen“. Ähnlich hatte der Autofahrerverein ADAC kürzlich bereits in seiner Mitgliederzeitschrift Motorwelt argumentiert. Auf einer Doppelseite präsentierte er das Netz aller geplanten und angedachten Autobahnprojekte – für die Verkehrsexperten des konkurrierenden Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ein Schreckensbild. Es gehe gar nicht so sehr um das ökologische Desaster, das bestimmte Teilstrecken durch Naturschutzgebiete nach sich zögen, so VCD-Sprecher Burkhard Reinartz. Aber jede bauliche Erweiterung, das zeigten Überprüfungen einzelner Maßnahmen, bringe nur kurzfristig eine Entlastung. Auf lange Sicht sei damit zu rechnen, daß sich der Verkehr sogar erheblich verstärke. Derzeit fahren bereits rund 40 Millionen Pkw über bundesdeutsche Straßen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat für die nächsten Jahre ein Plus von zehn Millionen prognostiziert.
Daß die Kapazitäten der vorhandenen Autobahnen – und der auch nach einer Überprüfung weiter für relevant befundenen Projekte – heute schon nicht ausreichen sollen, ist längst widerlegt: Wieviel staufreien Verkehr eine Straße aufnehmen kann, hängt vor allem von der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ab. Wenn schnell gefahren wird, erhöht sich der Sicherheitsabstand. Bei 200 Stundenkilometern haben nur rund zehn Wagen auf einem Autobahnkilometer Platz, bei Tempo 100 sind es immerhin rund 53 Autos. Auch der Tempounterschied wächst bei steigender Höchstgeschwindigkeit, was gleichmäßigen Verkehrsfluß verhindert und zu kurzfristigen Verdichtungen führt, die Staus auslösen können. Für einen hohen und möglichst schnellen Verkehrsfluß ideal sind laut Expertenschätzungen auf Autobahnen 80 bis 90 Stundenkilometer. Deshalb gilt auf stauanfälligen Strecken etwa am Frankfurter Kreuz oder vorm Hamburger Elbtunnel bei zähem Verkehr Tempo 80. Beate Willms
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