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■ Mit Äthiopien, Eritrea und Unganda besucht Bundespräsident Herzog die falschen afrikanischen LänderDie kurzsichtige Politik des Westens

Das Programm des heute beginnenden Besuchs von Bundespräsident Roman Herzog in Afrika war ungewöhnlich sorgfältig vorbereitet worden. Bei der Auswahl der Politiker, von denen sich der Präsident begrüßen lassen wollte, war Vorsicht geboten: Ihnen sollten keine allzu schweren Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden können. Die inneren Verhältnisse im jeweiligen Land mußten außerdem stabil genug sein, um die Zuversicht zu begründen, daß der Gastgeber nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate vom Regierungschef zum Führer irgendeiner Bürgerkriegsfraktion mutieren würde.

Allzu groß war die in Frage kommende Auswahl da wohl nicht. Und so befindet sich Herzog jetzt in einer ihm wenig vertrauten Gesellschaft. Die „starken Männer“ der drei von ihm aufgesuchten Staaten – Uganda, Äthiopien und Eritrea – sind allesamt ehemalige Rebellenchefs. Sie sind nicht durch allgemeine und freie Wahlen an die Macht gekommen, sondern durch den Sturz ihrer jeweiligen Vorgänger nach langen, auszehrenden Bürgerkriegen.

In Uganda und Eritrea sind Oppositionsparteien zudem bis heute nicht zugelassen. In Äthiopien klagen Regierungsgegner über ihre Behinderung, Einschüchterung und Unterdrückung.

Es ist gerade einmal fünf Jahre her, daß nach dem Ende des Kalten Krieges westliche „Geberländer“ im Überschwang der Euphorie über eine neue Weltordnung eine Demokratisierung Afrikas nach westlichem Muster forderten und dieser Forderung mit finanziellen Mitteln Nachdruck verliehen. Läßt sich mit dem Programm des Herzog-Besuchs belegen, daß dieses Fernziel schon wieder zu den Akten gelegt worden ist?

Für die Ernüchterung nach der Euphorie gibt es Gründe. Als in Ruanda in kürzester Zeit Hunderttausende Menschen hingeschlachtet wurden, war dort bereits seit drei Jahre ein Mehrparteiensystem installiert.

Im Nachbarland Burundi waren freie Wahlen, aus denen der Oppositionskandidat als Sieger hervorging, Anlaß für einen versuchten Militärputsch und einen sich anschließenden, bis heute währenden Bürgerkrieg. Am despotischen Regierungsstil von Zaires Diktator Mobutu hat die Zulassung von politischen Parteien nichts geändert. Die Liste ließe sich gut und gerne fortsetzen.

Stimmt das alte Argument also doch, dessen sich vor allem die Potentaten Afrikas gerne bedienen, wonach westliche Verhältnisse sich nicht einfach schematisch auf Afrika übertragen lassen und demokratische Systeme europäischer Provenienz in Afrika eher zur Zuspitzung von Konflikten als zu größeren Freiheitsrechten für die Bevölkerung führen?

Wahr ist, daß sich auch in Europa Parteien im heutigen Sinne erst nach der industriellen Revolution gebildet haben. Die Länder Afrikas sind in ihrer großen Mehrheit keine Industriestaaten, ihre Bevölkerungen sin vorwiegend in der Landwirtschaft beschäftigt. Regionale Interessen – wo kommt eine Straße hin, wo wird ein Krankenhaus gebaut – haben in diesen Staaten den Vorrang vor Klasseninteressen.

Politische Repräsentanten, gewählt nach welchem System auch immer, gelten fast überall als Vertreter ihrer jeweiligen Region – nicht als Vertreter eines politischen Programms. Vor allem in Ländern, in denen verschiedene Ethnien zwar in einem gemeinsamen Staat, aber weitgehend nach Gebieten getrennt leben, besteht damit die Gefahr, daß sich in einem Mehrparteiensystem verkappte „Stammesparteien“ bilden und daß sich ethnische Rivalitäten bedrohlich zuspitzen.

Wahr ist außerdem, daß traditionell in den meisten afrikanischen Gesellschaften sich die politische Willensbildung eher im Ringen um einen Konsens als im Wettstreit verschiedener Meinungen vollzogen hat.

Gerade an diesem Punkt aber wird die Scheinheiligkeit des oben zitierten Arguments deutlich. Das Konsensprinzip funktionierte zu einer Zeit, in der politische Einheiten kleine, überschaubare Gebilde mit relativ geringem sozialem Gefälle waren. Im Zeichen der Zentralstaaten mit wachsender Urbanisierung, vielfältigen Außenbeziehungen und einer sich verbreiternden Kluft zwischen Arm und Reich ist das Konsensprinzip in der Theorie nicht mehr organisierbar. In der Praxis ist es ein anderer Ausdruck für die unumschränkte Macht eines Alleinherrschers, der stets behaupten wird, sein Handeln am „allgemeinen Wunsch“ der Bevölkerung auszurichten.

Es stimmt, daß von afrikanischen Oppositionspolitikern in den letzten Jahren kaum konstruktive Vorschläge zur Lösung der drängendsten Probleme des Kontinents zu hören waren. Der Vorwurf aber wiegt nicht schwer. Es ist ja auch sonst niemandem etwas eingefallen. Die Zuspitzung von Krisen nach Einführung des Mehrparteiensystemes spricht nicht gegen die Opposition, sondern für die Skrupellosigkeit, mit der sich die früheren Alleinherrscher aller Mittel zu bedienen bereit waren, um an der Macht zu bleiben.

Daß es für die Demokratisierung in Afrika eines längeren Atems bedarf, als ursprünglich angenommen wurde, macht die Frage nach der Legitimität von Herrschaft auf dem Kontinent nicht überflüssig. Es wäre heuchlerisch, wollte der Westen so tun, als könne er sich in diesem Zusammenhang einer Einmischung entziehen und die Frage „allein der afrikanischen Bevölkerung“ überlassen. Solange Gelder fließen, findet politischer Einfluß statt. Finanzspritzen, die an keinerlei Bedingungen geknüpft werden, stützen nur die jeweiligen Machthaber.

Für die Regierungen der Länder, die der deutsche Bundespräsident besucht, spricht manches. Der Bevölkerungsmehrheit geht es dort heute besser als vor fünf oder zehn Jahren. Das ist in Afrika nicht gerade der Regelfall.

Allen drei Regierungen ist es gelungen, nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs und der wechselnden Terrorregime weitgehend friedliche Verhältnisse zu etablieren – ein kaum zu überschätzendes, kostbares Gut.

Ugandas Staatschef Yoweri Museveni gilt als Feind jedes Personenkults. Von ausländischen Beobachtern wird ihm außerdem bescheinigt, sich um rechtsstaatliche Verhältnisse und um die Unabhängigkeit der Justiz zu bemühen. Das ist aller Ehren wert. Aber der Aufbau des ugandischen Staatswesens zeigt auch, daß die hierarchische Struktur von oben nach unten verläuft und ganz auf den Präsidenten zugeschnitten ist.

Wenn westliche Länder jetzt in Afrika wieder größeres Gewicht auf handelnde Personen als auf den Aufbau demokratischer Institutionen legen, dann besteht die Gefahr, daß „gütige Diktatoren“ gefördert werden. Eine kurzsichtige Politik.

Nicht die Tatsache, daß Roman Herzog Uganda, Äthiopien und Eritrea besucht, verdient Kritik, sondern die Tatsache, daß er keines der – zugegebenermaßen wenigen – Länder des Kontinents bereist, die in den letzten Jahren ihre Demokratisierung zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht haben. Damit wird ein falsches Signal gesetzt. Bettina Gaus

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