■ Mit AKW-Wartung auf Du und Du: Sparen ist alles
Berlin (taz) – Mangelnde Kontrolle, umgeschriebene Sicherheitsvorschriften und Einsatz von Hilfskräften im Zusammenhang mit dem Atomunfall im japanischen Tokaimura – alles nur bodenlose, aber auf Japan beschränkte Schlamperei? Von wegen: Auch in der deutschen Atomindustrie werden die Sicherheitsvorkehrungen reduziert. Und nach Informationen der Organisation Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) besteht das Wartungspersonal zu einem großen Teil aus unqualifizierten Leuten.
Hintergrund, so IPPNW-Sprecher Henrik Paulitz, sei die Liberalisierung des Strommarkts, die die Betreiber der Atomanlagen ebenso unter Kostendruck setze wie das Serviceunternehmen Siemens.
Um die Ausgaben für den Reaktorbetrieb zu reduzieren, würden die jährlichen Revisionen, bei denen einzelne Teile der Anlagen überprüft und repariert werden, immer weiter verkürzt. Im AKW Neckarwestheim 2 dauerten sie nur noch 17 Tage, vor 5 Jahren waren es noch 33.
Und die Siemens AG, die alle 19 in Deutschland laufenden AKW gebaut hat, wolle noch mehr sparen: Im Gespräch sei, Sicherheitssysteme, die mehrfach vorhanden seien, nur noch zeitversetzt, also insgesamt in größeren Abständen, zu untersuchen. Bei Pumpen in den Not- und Nachkühlsystemen sollen stichprobenartig nur noch einzelne Komponenten überprüft werden. Dabei halten selbst Atomanlagenbetreiber wie die des AKW Grohne es für riskant, vom Zustand einzelner Bestandteile auf den der gesamten Anlage zu schließen. Bei den Armaturen – von denen es in jedem AKW rund 20.000 gibt – überlegt man, sich auf eine „zustandsorientierte Instandhaltung“ zu beschränken, also auch die Sicherheitsventile erst auszutauschen, wenn sie beinahe abgenutzt sind.
Ein besonderes Sicherheitsrisiko bilden die Servicemannschaften selbst. 1998 waren 200 der dort Beschäftigten jünger als 35 Jahre, Erfahrung mit Atomkraft hatten die wenigsten. Und: Zwei von fünf Stellen sind mit Hilfskräften besetzt – obwohl die Serviceleute auch beim Austausch von Steuerstabantrieben eingesetzt werden, die im Notfall das gesamte AKW abschalten sollen. bw
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