Mission: Impossible 4: Schrei in der Kehle
Gewitzte Dialoge und sorgfältig inszenierte Spannung. "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" von Brad Bird erfüllt die höchsten Erwartungen an das Action-Genre.
Ein Film wie eine Zündschnur: Schon in der alten "Mission: Impossible"-Serie, die im deutschen Fernsehen aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen den Titel "Kobra, übernehmen Sie!" bekam, bestand die Titelsequenz aus flott geschnittenen Actionszenen, vor denen im Vordergrund eine animierte Zündschnur abbrannte, immer von links nach rechts, im Takt der treibenden Musik von Lalo Schifrin.
Das trommelnde, scharf segmentierte Thema und die Zündschnur sind das Emblem der Mission: Impossible-Marke.
Zusammen drückt sich in ihnen aus, worum es immer wieder geht, Folge für Folge und seit 1996 eben auch Film für Film: Es muss etwas getan werden, und zwar schnell. Schifrins Thema hat dabei selbst etwas Kinetisches, weit mehr noch als das vergleichbar bekannte James-Bond-Thema, das seinen Helden gewissermaßen als wachsam und blasiert vorstellt. In "Mission: Impossible" dagegen wird gerannt, gesprungen und geschlagen, was das Zeug hält.
In kaum einem anderen Film verging 2011 die Zeit so schnell wie in den 133 Minuten von "Mission: Impossible - Phantom Protokoll". Denn die vierte Leinwandfolge der Serie, wieder von Tom Cruise als Produzent und Hauptdarsteller verantwortet, beherzigt die oberste Regel des Actionkinos: Action ist Thema und Methode zugleich. "Phantom Protokoll" mag weniger Stil besitzen als John Woos oft geschmähter "M:I-2" und seinem Helden weniger Charakter zugestehen als J. J. Abrams melodramatischer "M:I-3", dafür aber überwältigt er mit schier atemloser Aktion.
Die Motive interessieren keinen
Den Plot vergisst man, noch während er sich vor einem entfaltet: Irgendwie geht es um russische Nuklearwaffencodes, die ein Bösewicht mit Tarnnamen Cobalt (Michael Nyquist) an sich bringen will. Dessen Motive interessieren hier keinen, interessanterweise am wenigsten die, die ihn bekämpfen - das I:MF (Impossible: Missions Force)-Team um Ethan Hunt (Tom Cruise), das aufgrund ebenfalls sofort wieder vergessener Komplikationen - der Kreml ist verärgert? - plötzlich als vaterlandslose Guerillatruppe agieren muss.
Warum überhaupt Codes im Zeitalter der Datenvernetzung noch im Koffer aus den Verliesen des Kreml getragen, in Hotelräumen in Dubai weiterverkauft und in Mumbai schließlich entsichert werden müssen - wer sich während des Films solche Fragen stellt, der sitzt hier eindeutig zu weit von der Leinwand entfernt.
Viel wichtiger nämlich ist die pure Spannung von Szenen wie dieser: Ethan Hunt (von Tom Cruise in bewährter maskenhafter Jugendlichkeit verkörpert) muss an den Glaswänden des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burdsch Chalifa in Dubai, hinaufklettern.
Und zwar ohne Seil, nur mithilfe spezieller Elektrohandschuhe, die sich klettverschlussmäßig von der glatten Oberfläche anhaften und ablösen lassen. "Das schaffst du nie", ruft Jeremy Renner, der hier sehr überzeugend den Agentenneuzugang Brandt spielt. Bald knistert es in einem Handschuh, und aus ist es mit der Haftung …
Schwindel, Höhenangst
Wer auch nur ein bisschen empfänglich ist für Schwindel und Höhenangst, spürt auch im sicheren Kinosessel, wie sich ein Schrei in der Kehle formt. Warum Ethan hier nicht den Aufzug nehmen kann, wird zwar vom Technonerd des Teams, Benji (Simon Pegg), ausführlich erklärt, aber mit einem derart süffisanten Grinsen, als wüsste er schon, dass bald das Adrenalin den Zuschauer überschwemmen wird.
Simon Pegg ist übrigens der Einzige, der dem atemlosen Tempo des Films etwas entgegensetzt - und es dadurch umso schärfer spürbar werden lässt. Seine nerdigen Einlagen sind ein Meisterwerk des komischen Timings. Die knackigen Oneliner überlässt er den anderen, ihm selbst genügt eine bestimmte Betonung, ein gewisses Zuviel in seinen Sätzen, um aus "Phantom Protokoll" den bislang witzigsten Film des Franchise zu machen.
Regisseur Brad Bird, dessen bisher bekanntester Film "Ratatouille" den Zuschauer nicht wirklich auf "Phantom Protokoll" vorbereitet, überrascht mit seiner sowohl sorgfältigen wie gewitzt-abgefeimten Inszenierung, die ohne "Bourne"-Wackelei und ohne "Bond"-Machoattitüde auskommt. Und weil in diesem Text so viel von Vergessen die Rede war: Man kann sich den Film deshalb wohl gut noch ein zweites Mal ansehen.
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