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Missbrauchtes Mädchen aus Hamburg-SteilshoopDen Hinweisen nicht nachgegangen

Hamburger Jugendschützerin erhebt schwere Vorwürfe gegen FDP-Abgeordnete

Brachte den Fall ans Licht: Society-Reporterin Bea Swietczak Bild: Ulrike Schmidt

Hamburg taz| Die am Montag von der taz bekannt gemachten Vorwürfe, Mitarbeiterinnen des Jugendamts Wandsbek seien vom mutmaßlichen sexuellen Missbrauch eines Mädchens bereits 2010 informiert worden, hätten aber nicht gehandelt, schlagen in Hamburg hohe Wellen. Die Leiterin der Obersten Landesbehörde für den Jugendschutz, Ursula Caberta, warf dem Jugendamt Untätigkeit vor.

Auch nach Bekanntwerden der Vorfälle war das damals siebenjährige Mädchen nicht vor dem Zugriff ihrer Familie und des mutmaßlichen Missbrauchers geschützt worden. Es besuchte weiter seine alte Schule nahe der mütterlichen Wohnung.

Hierfür soll vor allem die Pädagogin und FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Martina Kaesbach als eingesetzter Vormund verantwortlich sein. Gegen sie und fünf weitere Mitarbeiterinnen des Bezirksamts ermittelt die Staatsanwaltschaft.

„Wir haben erst 2011 von den Missbrauchsvorwürfen erfahren“, betont hingegen Bezirkssprecherin Anne Bauer. Noch immer sei das Amt offiziell nicht über die Ermittlungen gegen seine Mitarbeiterinnen informiert worden. Auch in der Hamburgischen Bürgerschaft waren diese bislang kein Thema. Das Parlament könnte Kaesbach Immunität gewähren, und sie so vor einer möglichen Anklage schützen.

In die Diskussion um mögliche Versäumnisse hat die oberste Jugendschützerin Caberta das Wandsbeker Jugendamt scharf kritisiert: Ohne Druck von außen würde das vermutlich missbrauchte Mädchen „wohl noch immer bei der Mutter leben“, vermutet Caberta.

Die Jugendschützerin war von der Journalistin Bea Swietczak schon vor Monaten über den Fall informiert worden. Sie kennt dessen Hintergründe deshalb genau: „Der ASD hat sich jahrelang nicht um die Familie gekümmert, ist Hinweisen nicht nachgegangen, hat die Akten schlampig geführt und immer wieder abgewiegelt“, klagt Caberta.

Auch die Vormünderin Kaesbach habe sich „ganz offensichtlich kaum um das Mädchen gekümmert und bis heute keinen konkreten Plan für dessen Zukunft“ vorgelegt. Caberta wirft Kaesbach vor, dafür mitverantwortlich zu sein, dass das Kind zwar aus der Familie nicht aber zeitgleich aus der Schule herausgenommen wurde.

„Ein durch Missbrauch vermutlich traumatisiertes Mädchen wurde jeden Tag fremden Männern anvertraut: Taxifahrern, die sie zur Schule brachten und abholten – das ist doch pädagogischer Irrsinn“, klagt Caberta.

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3 Kommentare

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  • AO
    Angelika Oetken

    Jugendämter sind den vielfältigen Aufgaben, mit denen sie betraut sind, schon allein strukturell nicht gewachsen.

     

    Es handelt sich um Ämter, also um Verwaltungsbehörden mit ebensolchen Mitarbeitern. Wer sich da anstatt für den eigenen Aufstieg oder den Vorgesetzten wirklich für Kinder engagiert, ist selbst Schuld und kann irgendwann wegen Arbeitsüberlastung nur noch Selbstanzeige stellen.

     

    Um nachhaltigen Kinderschutz zu gewährleisten, brauchen wir andere Strukturen.

     

    Falls der Mehrheit der Bevölkerung an Kindern überhaupt was liegt. Denn Kinder haben keinen "Stand-by-Knopf".

     

    In Deutschland wird schon mal das SEK gerufen, aber nur wenn Autos brennen.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Betroffene sexualisierter Misshandlung in der Kindheit

  • K
    Kundrie

    Dieser Folgeartikel zum gestrigen erhärtet meinen Verdacht, dass es sich hier um die persönliche (Selbst-?) Darstellung von Frau Swietczak handelt, erheblich.

     

    Bei der erwähnten Ursula Caberta handelt es sich übrigens beileibe nicht um eine "oberste Jugendschützerin" oder gar Leiterin der Landesbehörde für Jugendschutz, sondern um die ehemalige Leiterin der im vorletzten Jahr aufgelösten "Arbeitsgruppe Scientology" der Hamburger Innenbehörde, die sie 18 Jahre geleitet hatte. Frau Caberta galt auch den Medien gegenüber als Expertin speziell für Psychosekten mit dem Schwerpunkt Scientology und wurde als erbitterte Kämpferin gegen diese bekannt. Der Eindruck, der in diesem Artikel also mittels klarer Falschaussagen erweckt werden soll, Frau Caberta habe innerhalb der Hamburger Jugendarbeit generell eine Funktion, ist demnach falsch und bewusst irreführend.

     

    Noch einmal: ich finde es sehr bedauerlich, dass die taz sich dazu hergibt, Artikel zu veröffentlichen, deren "Informationen" schon durch solche offenkundig und überprüfbar falschen Behauptungen mehr als zweifelhaft erscheinen.

  • J
    Jürgen

    Real existierende Liberalität!