Missbrauch in der katholischen Kirche: "Aufklärung spaltet"
Mit der Enthüllung von Missbrauchsfällen habe für die katholische Kirche vor einem Jahr ein schmerzhafter Prozess begonnen, sagt der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs Klaus Mertes.
BERLIN taz | Es ist eine düstere Bilanz. Ein Jahr nach Beginn des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche sieht der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, in der Kirche weiter "ein klares Verweigern des Zuhörens." Es sei wie "eine riesige Mauer, die nichts hören will von dem, was wehtun könnte, wenn man es anhört", sagt der Jesuitenpater im aktuellen sonntaz-Gespräch.
In dem Interview kritisiert der Geistliche auch "das Doppelleben innerhalb der Kirche": "Das kirchliche Lehramt predigt die einen Sachen - und gelebt wird etwas ganz anderes. Das ist auf Dauer ein Zustand, der zum inneren Zerbrechen der Kirche führt", sagt Mertes.
Der Jesuitenpater Klaus Mertes hatte vor einem Jahr mit seinen Enthüllungen über vergangene Fälle sexuellen Missbrauchs durch Jesuiten an seiner Schule den Missbrauchsskandal in Gang gesetzt. Der Skandal hatte die katholische Kirche Deutschlands in ihre größte Krise seit Jahrzehnten geführt.
Das ganze Interview mit Klaus Mertes und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 29./30 Januar 2011. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
"Es gibt für mich auch eine tiefe Entfremdung und Enttäuschung, wenn die Kirche anfängt, wie es manche getan haben, das Problem für sich dadurch zu lösen, dass sie auf andere mit dem Finger zeigt", sagt Mertes in der sonntaz. Es halte es für ganz wichtig, dass die Bischöfe ihre Ohren öffnen und dem Unmut aus der Basis zuhören. "Das ist ja eine der Konsequenzen aus dem Versagen der Verantwortlichen bei den Missbräuchen: Sie haben, als die Opfer versucht haben zu reden, nicht gehört."
Mertens hält noch viel Aufklärung für nötig. "Aufklärung spaltet eine Institution, und das führt zu einem unheimlich schmerzhaften Prozess, der dann die Institution als Ganzes ergreifen muss." Dieser Prozess sei auch im nächsten Jahr nicht abgeschlossen. "Zwei, drei Erklärungen, drei, vier Papierchen, das reicht nicht", sagt Mertes in der sonntaz.
Im sonntaz-Gespräch in der aktuellen Wochenendausgabe spricht Mertes außerdem darüber, warum die letzten Monate für ihn eine neue Erfahrung mit seiner Kirche waren und warum es aus seiner Sicht Sinn macht, eine Institution von innen zu verändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!