Missbrauch in Internaten: Orden will zahlen
Der Jesuitenorden kündigt an, Opfer des sexuellen Missbrauchs in seinen Internaten schnell zu entschädigen. Allerdings bloß mit 5.000 Euro pro Person.
Der Jesuitenorden will die Missbrauchsopfer an seinen Schulen "möglichst bald" entschädigen. Das kündigte der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, in einem Interview mit der taz an. Bei "angenommenen 5.000 Euro" pro Person, so erklärte der Geistliche, wären das bei 205 anerkannten Opfern eine Million Euro. Er sicherte zu, es werde "keine komplizierte Verfahren" geben für die Opfer: "Wir haben sie anerkannt und werden auszahlen." Der Leiter der Jesuitenschule sagte, er sei nicht der Einzige, der dafür kämpfe, "dass es bald kommt".
Stefan Kiechle, der Leiter ("Provinzial") der deutschen Ordensprovinz, hatte schon im September eine Zahl von 5.000 Euro als eine mögliche Summe genannt. Wie Mertes hatte auch er einen Betrag in vierstelliger Höhe als mögliche Entschädigung ins Spiel gebracht. Mertes sagte nun, bei 5.000 Euro würde die Gesamtsumme von eine Million Euro auf den Orden zukommen. "Das tut uns weh", sagte Mertes.
Ein Betroffener von der Selbsthilfegruppe der Missbrauchsopfer durch die deutschen Jesuiten, "Eckiger Tisch" genannt, zeigte sich sehr skeptisch über diese Summe. Das Missbrauchsopfer wollte aber nicht mit Namen genannt werden. Er sagte der taz, der Betrag von 5.000 Euro sei "mehr als enttäuschend". Diese Summe sei "dem Lebensschaden der Betroffenen nicht angemessen".
Vor knapp einem Jahr hatte Rektor Mertes mit einem Brief an ehemalige Schülerinnen und Schüler seines Kollegs den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche Deutschlands ausgelöst. Der Skandal erschütterte nicht nur die hiesige Kirche bis ins Mark, auch außerhalb der katholischen Kirche wurde eine große Debatte über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch diese Aufklärung angeregt. Auch die evangelische Kirche in Deutschland sowie die reformpädagogische "Odenwaldschule" mussten Missbrauchsfälle in ihren Reihen einräumen.
Mertes betonte in der taz, dass die angenommene Pauschalzahlung von 5.000 Euro nicht die letzte Zahlung an die Opfer sein müsse. "Mir persönlich schwebt vor als zweiter Schritt, dass betroffene Institutionen gemeinsam einen Fonds gründen, aus dem heraus man dann in einem gezielten Verfahren Entschädigungszahlungen im eigentlichen Sinne zahlt, zum Beispiel für Therapiekosten, die nicht mehr erstattet worden sind und bei denen Opfer sich verschuldet haben."
Dieser Fonds könnte dann auch größer werden als der Gesamtbetrag, der für die Pauschalzahlungen vorgesehen ist. "Aber die Forderung nach einem pauschalen Entschädigungsbetrag hat letztlich nicht den Sinn einer angemessenen Entschädigung, sondern der Anerkennung des zugefügten Leids unter der Rücksicht, dass die Entschuldigung allein nicht reicht." Der Jesuit unterstrich: "Es ist also eine Geste im Rahmen eines kommunikativen Prozesses. Und ob die Geste, die ernst gemeint ist, auch als solche angenommen wird oder lächerlich gemacht wird, darüber können wir nicht verfügen", so Mertes. "Es ist aber eine ernst gemeinte Geste."
Der Rektor fügte hinzu: "Wenn es überhaupt eine Institution gibt, die sich positiv, grundsätzlich positiv zur Frage des Entschädigungsfonds geäußert hat, dann ist es ja die Kirche." Mertes sagte: "Die Bundesjustizministerin hat ihr Interesse am Thema, nachdem sie ihren antikatholischen Affekten zunächst freien Raum gegeben hat, ganz schnell verloren. Von staatlicher Seite läuft da überhaupt nichts."
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