Missbrauch in Bergisch-Gladbacher Kirche: Opfersuche nach 30 Jahren
Es ist ein ungewöhnlicher Aufruf, der derzeit in Bergisch-Gladbach die Runde macht: Das Erzbistum Köln sucht nach Missbrauchs-Opfern - doch der Fall ist schon alt.
KÖLN taz Die Kirche Sankt Maria Königin liegt im Schatten großer Bäume. Im Schaukasten der Katholischen Bücherei werden Jugendbücher mit Titeln wie "Richtig verliebt, falsch verbunden" und "Liebesschwüre und andere Peinlichkeiten" angepriesen. Im Glaskasten gegenüber hängt ein kitschiges Plakat für die Erstkommunion. Auf den ersten Blick scheint nichts die friedliche Ruhe des von Eigenheimen umgebenen Gotteshauses in der Kiebitzstraße in Bergisch Gladbach-Frankenforst zu stören.
Doch der Eindruck täuscht. Die katholische Gemeinde befindet sich in einem Schockzustand. Der Grund ist ein unscheinbarer DIN-A4-Zettel, der auf der Rückseite des Kirchenschaukastens ausgehängt ist: ein Kanzelaufruf von Dominik Schwaderlapp, dem Generalvikar des Erzbistums Köln. Dessen Inhalt ist hochbrisant. Es geht um sexuellen Missbrauch in der Kirche.
"Liebe Schwestern und Brüder", so beginnt das Schreiben, "wir haben mit großem Bedauern erfahren, dass es zu Beginn der 70er Jahre in der Pfarrei Sankt Maria Königin möglicherweise zu sexuellen Übergriffen auf Jugendliche und Kinder gekommen ist." Das Kölner Erzbistum werde "alles tun, was der Aufklärung dieser Vorkommnisse dient", heißt es in dem Brief, der auch im Gottesdienst verlesen wurde. Kurz zuvor war der Pfarrgemeinderat per E-Mail informiert worden. Laut Stephan Georg Schmidt, dem Sprecher des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner, habe das Erzbistum erst "vor wenigen Tagen" von den Vorwürfen erfahren. Es nehme sie sehr ernst. "Unsere erste Sorge ist, den Betroffenen schnellstmöglich unsere Hilfe anzubieten", sagte Schmidt der taz. Deswegen habe sich das Bistum in diesem Fall auch für das Vorgehen entschieden, sich per Aufruf an etwaige Opfer zu wenden. Ihnen stünde Domkapitular Prälat Robert Kümpel, der Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars, als Ansprechpartner zur Verfügung. Inzwischen hätten sich auch die ersten Menschen gemeldet, "die das Gespräch suchen", so Schmidt.
Zu Einzelheiten über die mehr als 30 Jahre zurückliegenden Übergriffe und zu der Zahl der Opfer wollte Schmidt allerdings keine Angaben machen. Über den mutmaßlichen Täter verriet Schmidt nur, dass dieser mittlerweile verstorben sei. Deswegen werde eine hundertprozentige Aufklärung der Vorwürfe wohl nicht mehr möglich sein, auch wenn die Erzdiözese den "festen Willen" dazu habe. Dass es sich bei dem Beschuldigten um einen Geistlichen gehandelt hat, wollte Schmidt "weder bestätigen noch dementieren". PASCAL BEUCKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“