Missbrauch am Canisius-Kolleg: Ordenschef will Fragen beantworten
Mittlerweile sind es mehr als 20 Opfer, die in den 70ern und 80ern in den Missbrauchskandal am Berliner Canisius-Kolleg verwickelt waren. Nun will der Ordensführer der Jesuiten Fragen beantworten.
KÖLN/BERLIN apd | Nach der Aufdeckung von sexuellen Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg sind 20 Opfer bekannt. Die meisten Betroffenen hätten aus Scham geschwiegen, sagte die Beauftragte des Jesuiten-Ordens für Fälle von sexuellem Missbrauch, Anwältin Ursula Raue, am Montag im Deutschlandfunk. Dass ein Brief von acht Schülern an die Schulleitung und das bischöfliche Ordinariat 1980 nicht beachtet worden sei, könne sie sich nicht erklären, fügte Raue hinzu.
Sie werde nun die Akten ansehen und wolle darüber sprechen, "welche Strukturen es befördert haben, dass es im Dunkeln blieb". Sie vermute den Ursprung in der katholischen Sexualmoral. "Ich weiß von zwei Tätern, mit denen ich auch Kontakt habe", sagte Raue.
Der Ordensführer der Jesuiten in Deutschland, Stefan Dartmann, will am Montag um 16.00 Uhr am Berliner Elitegymnasium Canisius-Kolleg Fragen zum Missbrauchs-Skandal beantworten. Der Pater hatte am Wochenende in einer Erklärung bekanntgegeben, dass er persönlich bereits Ende 2006 von der Schulleitung über "entsprechende Signale Betroffener" informiert wurde. Damals hätten die Opfer jedoch um absolute Diskretion gebeten.
"Das jetzige Hervortreten einiger Opfer macht nun ein Untersuchungsverfahren zur vollständigen Aufklärung der damaligen Missbrauchsfälle möglich und zwingend", erklärte Dartmann. Die Staatsanwaltschaft untersucht seit vergangener Woche Vorwürfe, wonach zwei Lehrer zwischen 1975 bis Mitte der 80er Jahre Jungen sexuell misshandelt haben. Ein Zwischenbericht mit ersten Ergebnissen sei ihm bis Mitte Februar zugesagt worden.
Dem Spiegel hatte Dartmann bestätigt, dass der Orden selbst sogar schon 1991 Kenntnis von den Straftaten hatte. Man habe jetzt eine Anwältin mit einer Prüfung der Akten beauftragt, "um festzustellen, was genau die Jesuiten damals wussten und welche Konsequenzen erfolgten". Auch der Vatikan war über die Verfehlungen im Bilde, wie der Spiegel weiter berichtet.
Unterdessen hat der frühere Rektor des Kollegs, Pater Hermann Breulmann, angegeben, er habe nichts davon gewusst, dass es Missbrauchsvorfälle an der Schule gegeben habe. Nicht einmal entsprechende Gerüchte habe er gehört, sagte Breulmann dem Tagesspiegel (Montagausgabe). Breulmann war von 1996 bis 2006 Rektor und ist heute in der Jesuitenkirche in München tätig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung