Minischritte beim Anlegerschutz: Lokal gegen Finanzmarkt-Schummel
Erstmals soll auch der graue Kapitalmarkt Regeln bekommen: Das Bundeskabinett will die Finanzvermittler kontrollieren lassen – vom örtlichen Gewerbeamt.
Die Bundesregierung hat beschlossen, Finanzvermittler besser zu kontrollieren. Die Aufsicht über die rund 80.000 freien Anlageberater soll jedoch nicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) übernehmen, die die bei den Banken und Sparkassen angestellten Vermittler überwacht – sondern das jeweilige örtliche Gewerbeamt.
Das ist der Kern eines Gesetzentwurfs zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete. Zudem werden die Vermittler in einem zentralen Register erfasst. Die Verkäufer der Geldanlagen müssen eine Sachkundeprüfung absolvieren und eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, um etwaige Schadenersatzansprüche von Kunden auch bedienen zu können.
"Die Verbraucher werden künftig auch im Bereich des grauen Kapitalmarkts besser vor Falschberatungen und Vermögensverlusten geschützt", sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). In diesem Segment haben sich in der Vergangenheit immer wieder dubiose Anbieter getummelt und gutgläubigen Sparern mit zweifelhaften Offerten das Geld aus der Tasche gezogen.
Zweifelhafte Offerten
Zu den bisher unregulierten Produkten zählen zum Beispiel geschlossene Immobilienfonds, Beteiligungen an Windparks, Steuersparmodelle oder Schuldverschreibungen von Unternehmen. Mit Schrottimmobilien oder geschlossenen Fonds haben unseriöse Vermittler mitunter tausende Anleger um hohe Beträge gebracht.
Schon lange wird deshalb ein schärferes Vorgehen gegen dieses Segment der Finanzbranche gefordert. Wenn das Gesetz vom Parlament beschlossen wird, gelten für Banken und freie Vermittler weitgehend die gleichen Rahmenregelungen.
Die Neuregelung soll auch eine gravierende Lücke im Recht stopfen. Künftig müssen die Vermittler Informations- und Dokumentationspflichten einhalten. Die Kunden erhalten zu den Produkten eine Art Beipackzettel, aus dem die wichtigsten Eigenheiten des Angebots hervorgehen, also etwa die damit verbundenen Chancen, Risiken und Kosten. "Die Haftung für fehlerhafte oder fehlende Prospekte verschärfen wir", so Aigner.
Zehn Jahre Haftung
Sonderverjährungsfristen für Ansprüche aus der Prospekthaftung gibt es künftig nicht mehr. Es gilt die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Zeitspanne von bis zu zehn Jahren, in dem ein Haftungsanspruch für Graumarktprodukte entstehen kann. Zusätzliche Haftungsansprüche des Anlegers für fehlende oder fehlerhafte Prospekte können nun erstmals auch bei fahrlässigem Handeln entstehen.
Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gehen die Regelungen nicht weit genug. "Gute Ansätze des Entwurfs bleiben Stückwerk", kritisiert Verbandschef Gerd Billen. Denn die Regierung versäume die Einführung einer schlagkräftigen Aufsicht. Der vzbv hat stets dafür plädiert, auch die freien Vermittler von den Experten der Bafin beaufsichtigen zu lassen.
"Den Gewerbeämtern fehlt die Erfahrung für solche Prüfungen", befürchtet Billen. Zudem verursache diese Aufgabenverteilung unnötigen bürokratischen Aufwand: Die Gewerbeämter müssen die Unterlagen zu einzelnen Produkten jeweils gesondert anfordern. Läge die Federführung bei der Bafin, könnte dieser Dienstweg eingespart werden. Dort liegen die Informationen ohnehin vor.
Ein weiterer Kritikpunkt der Verbraucherschützer besteht in dem Fähigkeitsnachweis, den die freien Vermittler künftig erbringen müssen. "Der Gesetzgeber muss klarstellen, dass Kenntnisse in verbrauchergerechter Beratung Bestandteil der Qualifikation sind", fordert Billen. Die generelle Richtung des Gesetzes bewertet der vzbv allerdings positiv. Denn ganz außen vor bleibt die Bafin künftig nicht. Deren Experten sollen künftig auch inhaltlich prüfen, ob die Prospekte der Anbieter frei von Widersprüchen und verständlich sind.
Achtung, Provisionen!
Trotzdem sollten Anleger weiterhin aufpassen, wenn sie Produkte bei den freien Vermittlern erwerben. So hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden, dass die Berater im Verkaufsgespräch nicht zwangsläufig darauf hinweisen müssen, wie viel sie an Provisionen bekommen, wenn diese Kosten aus den Unterlagen hervorgehen. Der Blick ins Kleingedruckte bleibt den Anlegern also nicht erspart.
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