: Minimalisierte Wahrnehmung
betr.: „Väter weg von Puff und Kneipe“
Auch wer die gegenwärtigen Grenzen und Möglichkeiten kapitalistischer Formen menschlicher Arbeitsteilung nicht analysieren und über den Erhalt der Klimastabilität nicht reden will, redet viel, wenn das taz-Interview lang ist.
Zum Beispiel darüber, dass auf der großen Bühne sich nur noch „der“ Westen (?) und der Nahe Osten gegenüber stehen, (der eine „übererotisiert und von Gier“ und der andere „überterrorisiert und von Ressentiments“ verwüstet). Oder dass „die“ Religionen Teil des Problems seien, dass „die Menschen nur noch als Geschöpfe am Futtertrog gesehen“ werden. Und dass es deshalb das Beste sei, nach Art der Bremer Stadtmusikanten optimistisch „etwas Besseres als den GAU finden wir überall“ zu trällern. Schließlich sei historisch bewiesen, dass proletarische Kontrolle über den Produktionsprozess zum „Völkermord an der Bourgeoisie“ führe. Eine solcherart minimalisierte Wahrnehmung (nicht nur) der Marx’schen Befreiungsperspektive erklärt allerdings die Hilflosigkeit der Sloterdjik’schen Perspektive (die er bemerkenswerterweise nur noch im Freizeitbereich sieht). Optimismus, der das Problem der lohn- und gehaltsvermittelten Verkettung eines jeden Menschen mit den Futtertrögen und Tankstellen des Kapitals (bzw. mit den Formen der Arbeitsteilung, die uns mit „Geiz ist geil“-Augen ins irdische Treibhaus blicken lassen) verdrängt, erscheint mir doch ein wenig billig.
HANS-HERMANN HIRSCHELMANN, Berlin