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MindestlohndebatteFür Münchner ein bisschen mehr

Der Landeschef der bayerischen Linkspartei Michael Wendl fordert regional gestaffelte Lohnuntergrenzen. Bei der Antikapiralistischen Linken fällt er damit in Ungnade.

Im Regen stehen gelassen: Michael Wendl (Die Linke) will geringere Mindestlöhne für diese Magdeburger Arbeiter. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Es klingt nicht so, als würde Michael Wendl sein Amt als Landeschef der bayerischen Linken gerade viel Freude bereiten. "Das sind immer nur persönliche Angriffe", sagt Wendl der taz. "Die Antikapitalistische Linke hat mich als Feindfigur ins Visier genommen."

Ein Streit zwischen strammen Antikapitalisten und dem pragmatischen Sprecher des Landesvorstands Wendl spaltet derzeit die bayerische Linkspartei. Der Höhepunkt: eine Resolution der Antikapitalistischen Linken (AKL), beschlossen vor wenigen Tagen bei einem Landestreffen der Gruppe. Die Linke brauche eine "verlässliche Stütze" als Landeschef, heißt es im Text, der sich liest wie ein Ultimatum: "Sollte Wendl nicht von sich aus den Weg dafür freimachen, wird dies die Partei tun."

Auslöser des Ärgers ist ein unscheinbares Interview in der unscheinbaren Bayerischen Staatszeitung. Wendl hatte sich dort im April für einen regional gestaffelten Mindestlohn stark gemacht. Ein Skandal für den linken Parteiflügel. Dagmar Henn, Stadträtin in München und im Koordinierungskreis der AKL, meint etwa: "Er hat ein zentrales Identifikationsmerkmal der Partei angegriffen."

Wendl kontert: Im aktuellen Programmentwurf sei nur von einem "existenzsichernden Mindestlohn" die Rede. Um das zu leisten, müsse ein Mindestlohn in einer Stadt wie München mit höheren Lebenshaltungskosten höher sein als in manchen Regionen in Nordbayern oder Ostdeutschland. Henn sagt: "Die politische Durchsetzungskraft des Mindestlohns wird schwierig, wenn man ihn nach verschiedenen Regionen aufsplittet." Wendl hält dagegen: "Ich verstehe die hysterische Aufregung nicht. Ich habe nur auf etwas ganz Banales hingewiesen."

Der Streit zwischen Pragmatikern und Linken reicht schon länger zurück. Als im Januar der bayerische Gewerkschaftsmann Klaus Ernst als Kandidat für die Spitze des Linken-Bundesverbands nominiert wurde, rebellierten in Bayern die Linksaußen. Die Ernst-treue Landeschefin Eva Bulling-Schröter schmiss darauf genervt ihr Amt hin.

Bei einem Sonderparteitag wurde der Ernst-Mann Wendl mit 54 Prozent gegen den Widerstand der AKL zum neuen Landeschef gewählt. Der Gewerkschaftssekretär ist erst 2009 von der SPD zur Linken gewechselt, mit großen Hoffnungen. Jetzt sagt er: "Ich hab immer gedacht, der Hass der Parteilinken auf Klaus Ernst hängt mit seiner Person zusammen. Nun weiß ich: Es liegt nicht an ihm."

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8 Kommentare

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  • C
    claudia

    >>Er meint, privat geführte Betriebe und vor allem Kliniken könnten "besser" wirtschaften und sogar Gewinne einspielen. Er fragt allerdings nicht, warum dies so ist. Dass in Privatkliniken Personal abgebaut wird, Löhne gekürzt und die Arbeitsbedingungen bedeutend verschlechtert werden, die Patienten oft unzureichend betreut werden können und das der Grund für entstehende Gewinne ist, interessiert ihn nicht.

  • BI
    Bernd Irmler

    Die US-Amerikanerin Susan George ist Wirtschaftsforscherin und Schriftstellerin, Präsidentin des „Observatoire de la Mondialisation“, ein französisches Institut, an dem die Auswirkungen der Globalisierung untersucht werden. Sie ist Mitbegründerin von ATTAC. Sie sagt:

     

    „Ich schlage vor, dass wir aufhören, von Privatisierung zu sprechen und statt dessen Worte verwenden, die die Wahrheit deutlich machen: Wir reden über die Veräusserung und Preisgabe der Ergebnisse jahrzehntelanger Arbeit tausender Menschen an eine winzige Minderheit großer Investoren. Dies ist einer der größten Raubüberfälle unserer und aller bisherigen Generationen.“

  • EB
    Eva Bernardi

    In der SPD nicht weitergekommen, versucht er es nun bei der Linken, der Genosse Wendl! Hochmut kommt vor dem Fall, sprich Ihrer Entfernung aus dem Landesverband Bayern als unser Sprecher! Noch eine schöne Woche wünscht Ihnen Eva Bernardi aus Dachau

  • C
    claudia

    In einem Interview mit der "bayerischen Staatszeitung" unterbot Wendl die verdi-Forderung von 12,5 € als Mindestlohn mit einer Spanne von 7,5 bis 10 €. Eine Gewerkschaftsforderung zu unterlaufen und einen Wettlauf nach unten zu eröffnen ist schon sehr dreist, wenn man als "links" bezeichnet werden möchte...

     

    http://www.bayerische-staatszeitung.de/index.jsp?MenuID=33&year=2010&ausgabeID=490&rubrikID=1&artikelID=6843

     

    Die Frage, ob ein Mindestlohn für Städte mit besonders hohen Lebenshaltungskosten einer Zulage bedarf, muss diskutiert werden. Aber eben nicht dadurch, dass man erst mal eine Gewerkschaftsforderung um 40 % unterbietet und dann wieder „grosszügig“ eine Kleinigkeit drauflegt.

    Auch, ob eine gesetzliche Mindestlohnstaffel nach Qulifikation sinnvoll wäre, sollte diskutiert werden. Aber das nicht mit einem Discuntangebot, das dann wg. Qualifikation minimal nach ober variert würde.

    Sonst kommt dabei eben heraus, dass für eine qualifizierte Kraft mit Berufserfahrung in München bei 10 €/ Stunde das Bruttoeinkommensmaximum erreicht sein soll.

     

    Ich denke, der Übertritt von Wendl zur Linken war ein taktisch geschickter Schachzug des Seeeheimer Kreises.

     

    Das es in einer linken Partei auch Leute gibt, die den Kapitalismus überwinden und nicht retten wollen, sollte nicht verwundern…

  • BI
    Bernd Irmler

    Der neue Landesvorsitzende in Bayern, Wendl, hat in mehreren Statements und Interviews deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er eigentlich gar kein Linker ist. Er befürwortet Privatisierungen und spricht gegen einen einheitlichen Mindestlohn. Ist ja eigentlich nicht verwunderlich. Der Mann ist ja Mitglied des Aufsichtsrates der privatisierten Rhönkliniken. Er meint, privat geführte Betriebe und vor allem Kliniken könnten "besser" wirtschaften und sogar Gewinne einspielen. Er fragt allerdings nicht, warum dies so ist. Dass in Privatkliniken Personal abgebaut wird, Löhne gekürzt und die Arbeitsbedingungen bedeutend verschlechtert werden, die Patienten oft unzureichend betreut werden können und das der Grund für entstehende Gewinne ist, interessiert ihn nicht.

    Für mich ist es nicht akzeptierbar, dass jemand als Landesprecher der Linken zudem gegen einheitliche Mindestlöhne votiert. Weil die Mieten in München höher sind, als in Ostdeutschland müsste seinen Aussagen nach ein Münchner einen höheren Mindestlohn bekommen. Auf die Idee, einmal nachzufragen, warum Münchner Wohnungsvermieter so hohe Mieten kassieren dürfen, kommt Wendl nicht. Warum gibt es keine wirksame Kontrolle der Wohnungsmieten? Warum werden Mieten nicht z.B. auf höchstens 20% des Nettoeinkommens der Mieter begrenzt? Das wäre eine Forderung, für die sich der Herr Landesvorsitzende stark machen könnte und damit könnte er zeigen, dass er sozial eingestellt ist. Wendl redet aber nicht nur rechtslastig, sondern verunglimpft auch noch die Hälfte der Parteimitglieder, indem er sie als ungebildet und rückständig, aus dem "Revolutionsmuseum" angehörig bezeichnet. Er erklärt der bürgerlichen Presse, DIE LINKE brauche solche Männer wie ihn, weil die anderen in der Partei offenbar zu dumm und unfähig wären. So wie es jetzt aussieht, hoffen anständige Parteimitglieder auf einen freiwilligen Rücktritt des Herrn Wendl. Ansonsten dürften bald schon wieder Neuwahlen für den Vorstand anstehen.

  • BI
    Bernd irmler

    Michael Wendl hetzt gegen unsere ureigensten und für Linke grundsätzlichen Gedanken und gegen alle aufrechten Genossinnen und Genossen in der Partei, die für demokratischere und sozialere Lebensbedingungen eintreten und denen er "primitiven Antikapitalismus" unterstellt. Ich schäme mich, dass ich es miterleben muss, dass ein Landesvorsitzender meiner Partei Privatisierungen unterstützt und gegen einen einheitlichen Mindestlohn eintritt.

     

    Wer so etwas öffentlich verkündet, ist nicht eine Stunde länger als Landessprecher für DIE LINKE Bayern tragbar. Ich fordere ihn zum sofortigen Rücktritt auf.

     

    Bernd Irmler

     

    Basis-Mitglied der Partei DIE LINKE seit Gründung und schon vorher Mitglied bei WASG und PDS.

  • FZ
    Franc Zega

    Da hat Michael Wendl vollkommen Recht. Es gibt keinen Hass gegen die Person von Klaus Ernst oder ihn seitens der Linkssozialisten in der Partei DIE LINKE in Bayern.

    Es ist die Politik,die diese " Gewerkschaftsaristokraten " vertreten. Sie täuschen vor linke Politik im Interesse der Menschen zu machen, sind aber nur an eigenen Karrieren und Machtzuwachs interessiert. Der Parteichef Klaus Ernst und seine " Freunde " aus der Bayern AG der Abgeordneten zeigten bereits bei den Beschäftigungsverhältnissen in ihren Abgeordnetenbüros, wie sie sich die Partei in Bayern in der Zukunft vorstellen.

  • A
    arbeiter199

    Verwunderung habe ich im Interview der Bayerischen Staatszeitung vom 23.4. gelesen, dass der Landessprecher der LINKEN in Bayern Michael Wendl nicht für den einheitlichen Mindestlohn ist wie ihn der DGB, Ver.di, Linke, SPD und Grüne fordern.

    Er hat sich ausdrücklich gegen die Forderung der Ver.di Landesbezirksvorsitzenden in Bayern Luise Klemens von einem Mindestlohn 12,50 ausgesprochen. Er hat dies als Wettbewerb nach oben bezeichnet.

    Die Linke ist in allen Wahlen mit der Forderung nach einem einheitlichen Mindestlohn angetreten.

    Desweiteren ist Wendl für eine differenzierte Sicht bei Privatisierungen, wie er im selben Interview ausführt.

    Die Linke ist in allen Wahlen mit der klaren Aussage gegen Privatisierung angetreten.

    Michael Wendl bezeichnet Auftritte von Genossinnen und Genossen als Auftritte aus dem Revolutionsmuseum und spricht sich gegen Arbeitszeitverkürzung auf.

    Die Aussagen von Michael Wendl verstoßen gegen Beschlusslagen der Bundespartei und der Bundestagsfraktion.

    Diese politischen Aussagen von Michael Wendl werden von vielen Mitgliedern nicht geteilt, in der Auseinandersetzung werden wir vom politischen Gegner mit seinen Aussagen konfrontiert, was uns unglaubwürdig macht.

    Mit diesen Aussagen sind wir nicht mehr zuverlässige Bündnispartner der Gewerkschaften.