Minderheitenrechte in Russland: Keine Versammlungsfreiheit für Homos
Ein Gesetz in Sankt Petersburg will öffentliche Auftritte von Schwulen und Lesben mit Geldstrafen ahnden. Offiziell dient die Maßnahme dem Jugendschutz.
MOSKAU taz | Für Homosexuelle in Sankt Petersburg brechen jetzt noch härtere Zeiten an: Fast einstimmig verabschiedete die Stadtversammlung letzte Woche ein Gesetz, das die Versammlungsfreiheit von sexuellen Minderheiten weiter einschränkt. Demnach werden "öffentliche Aktionen", die Homo-, Bi- und Transsexualität propagieren, mit Geldstrafen von bis zu 1.250 Euro geahndet.
Wohl wissend, dass sie gegen die russischen Gesetze und internationale - von Russland unterzeichnete - Konventionen wie die UN-Menschenrechtscharta verstoßen, fügten die Initiatoren noch eine geschickt formulierte Einschränkung hinzu: Nur solche öffentlichen Aktionen sollen geahndet werden, denen Minderjährige ausgesetzt sein könnten. Um nicht international in die Schusslinie zu geraten, prangern sie auch nicht Homosexualität schlechthin, sondern deren öffentliche Zurschaustellung an.
Die Initiative wird als Jugendschutzmaßnahme dargestellt. Da sich bei öffentlichen Veranstaltungen die Präsenz von Jugendlichen jedoch kaum verhindern lässt, kommt das Gesetz einem generellen Versammlungsverbot gleich. Dass das Gesetz vor allem auf die Kriminalisierung von Minderheiten abzielt, legt auch die Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie im Gesetzestext nahe.
Die Initiative ergriff der Abgeordnete Witali Milonow, der der Regierungspartei "Geeintes Russland" angehört und Amtsträger der ultrakonservativen russisch-orthodoxen Kirche ist. "Apostel Paulus ist eine größere Autorität als das Gesundheitsministerium", meinte Milonow. Er spielte damit darauf an, dass auch in Russland Homosexualität seit 1999 offiziell nicht mehr als krankhafte Abweichung definiert wird. Bis 1993 wurde gleichgeschlechtliche Liebe auch noch strafrechtlich verfolgt.
Vertreter der Moskauer Schwulenbewegung vermuten, dass die Regierungspartei mit dem Gesetz kurz vor den Dumawahlen auf Stimmenfang gehen will. Denn Homophobie ist in der russischen Gesellschaft weit verbreitet. Nicht zufällig signalisierte auch die Vorsitzende des Oberhauses der Duma, Valentina Matwijenko, umgehend Zustimmung: Es sei zu überlegen, die regionale Initiative in ein föderales Gesetz zu verwandeln, sagte sie.
Sankt Petersburg ist nicht die erste Kommune in Russland, die per Gesetz gegen Schwule vorgeht. Vorreiter war das Verwaltungsgebiet Rjasan in der Nähe von Moskau 2006; vor zwei Monaten verabschiedete auch der Nordmeerhafen Archangelsk ein Versammlungsverbot.
Dem Berater des Föderationsrates, Issajew Kostojew, geht das Gesetz noch nicht weit genug. Er macht den Vorschlag, "ein Lager für Homosexuelle einzurichten, wo sie für immer leben, arbeiten und einander lieben können". Auch Wachen und Personal sollten aus dem "gleichen Milieu" stammen. Verschiedene Gruppen kündigten an, gegen das Gesetz vor dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg zu klagen.
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