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■ Minderheiten – die ewigen Opfer deutscher Humorigkeit:„Biste blond, dann biste auch blöd“

Berlin (taz) – Martina Körber ist das ideale Opfer: Die attraktive 27jährige ist echt blond, braungebrannt und verwendet schon allein ihres Berufes wegen viel Aufmerksamkeit auf ihr Äußeres. Die Kosmetikerin kennt diverse Blondinen-Witze, und sie weiß, daß „man das im Prinzip nicht ernst nehmen kann“. Aber es „nervt“. „Ich weiß, daß es in solchen Momenten immer auf meine Kosten geht. Biste blond, dann biste auch blöd.“

Kein Einzelfall. Seit Sommerbeginn sind nach Manta- und Trabifahrern, Friseusen, Ossis und Ostfriesen die Blondinen bevorzugte Zielscheiben deutscher Witzbolde: strohdumm und dauergeil, im Idealfall mit gefärbter Dauerwelle und Atombusen – eine subtile Mischung aus Marlene Dietrich, Marilyn Monroe, Kelly Bundy, Claudia Schiffer und Barbie. Doch nicht nur Männer, sondern auch nichtblonde Frauen haben einen Mordsspaß daran, der gestylten Konkurrenz mal so richtig eins auszuwischen. Die Frauensolidarität zerbröselt – das aber mit Humor: „Woran erkennt man, daß eine Blondine am PC saß? – Am Tipp- Ex auf dem Bildschirm.“ – „Wie nennt man es, wenn sich eine Blondine Watte in die Ohren stopft? – Hohlraumversiegelung!“

Bereits im Juli hatte der Stern – „Sprechen Sie langsam, ich bin blond“ – den Zeitgeist entlarvt und puschte die teutonische Gag-Flut. Auf dem gleichen Level bewegt sich SWF3-Moderator Elmar Höhrig, der sich nach seinem ZDF- Fernsehflop neuerdings als Blondinenwitz-Pionier profiliert. Auch die hessische Sendestation „Radio FFH“ mochte sich dem Trend nicht verschließen und brachte Ende Juli einen ganzen Tag lang „Blondinen-Witze“. Ob Flachgags wie beispielsweise „Wie kriegt man die Augen einer Blondine zum Leuchten? – Man hält ihr eine Taschenlampe ans Ohr“ – oder sexuelle Anspielungen à la „Was macht eine Blondine nach dem Aufwachen? – Sie geht nach Hause wie jeden Morgen“: stets folgen die Geschichten dem Frage-Antwort- Modus. Dabei sind die Klischeewitze alte Kamellen, lediglich die Akteurinnen wurden ausgetauscht. Aber ist das witzig?

„Das ist Sexismus“, sagt die Gießener Frauenbeauftragte Ursula Passarge, „verletzend und diskriminierend.“ Ebenso könnte es Schwarzhaarige oder Vollbusige treffen, blond sei eben nur ein austauschbares Adjektiv. Als Hintergrund vermutet sie eine Art männlicher Aggression gegenüber Frauen, die sich über den Umweg „Blondinenwitze“ ein Ventil sucht. „Wenn es überhaupt ernst zu nehmen ist“, so Passarge, „ist es eine hilflose Gegenreaktion auf die Frauenbewegung. Die Männer schlagen zurück.“ Ähnlich sieht das der Gießener Soziologe Prof. Jörg Bergmann. Er hat in den Witzen – in den USA seit langem verbreitet – eine „Art Gegenbewegung zu einer Hypersensibilisierung“ ausgemacht, „die mit einem Verlust der Unbefangenheit in der Kommunikation einhergeht“. In einer Datenbank entdeckte er unter der Datei „Jokes“ die Spezifizierung „Blondes“. Rund 700 Witze waren dort gespeichert, die alle dem gleichen Klischee folgen.

Obwohl die Ära der frauenfeindlichen Jokes fast schon wieder out ist, scheint die Zeit nicht reif für ernstere Auseinandersetzungen. Selbst aufgeklärte Menschen wie der Politikstudent Patrick Merck (24) erzählen Blondie- Witze, halten sie für harmlos. „Eigentlich“, so philosophiert er, „hat es in Deutschland immer schon Witze auf Kosten von Minderheiten gegeben. Und bei den Blondinen“, glaubt er, „sind doch sowieso nur die unerreichbaren Hochglanzprodukte gemeint.“ Paddy hat Glück, seine Mitbewohnerin ist aus Fleisch und Blut. Ihr größter Vorteil aber: Sie ist dunkelhaarig. Peter Haacke

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