: Millionen-Kredit für die NPD
Die NPD behauptet entgegen ihrem Parteitagsbeschluß eine mögliche Kandidatur bei Europawahl / Die NPD kassierte bislang fleißig Wahlkampfgelder für die rechtsradikale DVU / NPD nutzt Gesetzeslücke ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) - Obwohl die NPD auf ihrem Parteitag am 29.Juni beschlossen hat, bei der kommenden Europawahl 1989 zugunsten der „Deutschen Volksunion“ (DVU) nicht anzutreten, hat sie jetzt in einer Stellungnahme an die Bundestagsverwaltung erklärt, die Frage einer Wahlteilnahme bleibe „der weiteren politischen Entwicklung vorbehalten“.
Mit diesem taktischen Manöver unterläuft die NPD die gesetzlichen Regelungen, nach denen sie die bisher kassierten Vorschüsse für den Europawahlkampf zurückzahlen müßte. Die Abschlagszahlungen, die die NPD in den letzten drei Jahren in drei Raten kassiert hat, belaufen sich auf insgesamt über 812.000 Mark.
Wie berichtet, hat die NPD mit der rechtsradikalen DVU des 'Nationalzeitung'-Verlegers Gerhard Frey ein Abkommen geschlossen. Danach verzichtet die NPD auf eine Teilnahme an der Europawahl und unterstützt eine Kandidatur der DVU. Dafür sollen vier von den Nationaldemokraten zu benennende NPD-Mitglieder auf die Liste der DVU gesetzt werden.
Im Gegenzug wird dann bei den nächsten Bundestagswahlen die NPD mit Unterstützung der DVU rechts der Union auf Stimmenfang gehen.
Die DVU ist außerdem die schriftliche Verpflichtung eingegangen, ein halbes Jahr nach der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses der Europawahl der NPD einen „Kostenersatz“ von einer Million Mark zu leisten. Unterzeichnet wurde die Vereinbarung vom NPD-Vorsitzenden Mussgnug und dem DVU-Chef Frey.
Die Abmachungen legen den Schluß nahe, daß mit den Pauschalzahlungen an die NPD der Wahlkampf der DVU vorfinanziert werden soll.Die Zusammenarbeit der beiden rechtsradikalen Gruppen hat inzwischen eine zweijährige Geschichte. Zuletzt traten NPD und DVU mit einer gemeinsamen „Liste D“ bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft an. Der für die Parteienfinanzierung in Bonn zuständige Referent Biederbick erklärte, mit dem taktischen Vorgehen der NPD seien seiner Behörde die Hände gebunden.
Als Reaktion auf die Veröffentlichung der taz über die Vereinbarungen zwischen DVU und NPD hatte seine Dienststelle eine Stellungnahme von der NPD angefordert. Hätte die NPD, gemäß ihrem Beschluß, den Verzicht auf eine Kandidatur mitgeteilt, wäre sie zur Rückzahlung der Gelder verpflichtet gewesen. Die NPD ist jetzt formal sogar berechtigt, eine letzte vierte Rate in der Höhe von etwa 270.000 Mark zu beantragen.
Mit ihrem Vorgehen sichern sich die Nationaldemokraten damit de facto einen kostengünstigen Millionenkredit. Eine Rückerstattung der Gelder steht erst zu einem Termin nach der Europawahl an, Zinsen können erst nach der Zahlungsaufforderung berechnet werden, und für die Zahlungsbedingungen gibt es keine detaillierten gesetzlichen Regelungen.
Bei ihrem Vorgehen macht sich die NPD fehlende gesetzliche Bestimmungen zunutze. Der Anspruch auf die Vorfinanzierung des Wahlkampfes erwächst aus ihrer Teilnahme an der letzten Europawahl. An diese Vorfinanzierung ist zwar auch die Absicht gebunden, am nächsten Wahlgang teilnehmen zu wollen. Aber die Bewerbungsfrist für die Europawahl endet erst sechs Wochen vor dem Wahltermin.
Und bis dahin können die Nationaldemokraten behaupten, ihren Parteitagsbeschluß zu ändern und doch noch teilnehmen zu wollen.
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