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Archiv-Artikel

BERNHARD GESSLER STETHOSKOP Milliarden Schläge im Takt

Die Therapie von Herzrhythmusstörungen ist eine Herzensangelegenheit, sowohl für die Patienten als auch für den behandelnden Arzt

Herr Doktor, ich habe Herzrhythmusstörungen.“ –Mit diesen sorgenvollen Worten kommen einige meiner PatientInnen zu mir. Sie sind dabei einerseits verständlicherweise besorgt, weil jede Veränderung des gewohnten Taktes des Herzens, ja allein die Tatsache, dass wir unser eigenes Herz bei seiner Arbeit überhaupt spüren, uns beunruhigt. Das Herz des Internisten wird bei dieser Mitteilung andererseits eher ruhig weiterschlagen – haben die gefühlten Herzschläge seines Gegenübers doch mit hoher Wahrscheinlichkeit keine krankhafte Bedeutung.

Das Herz ist ein großes Wunder in dem an Wundern nicht armen menschlichen Körper. Wenn wir mit durchschnittlich 76 Jahren (als Männer) und 82 Jahren (als Frauen) sterben, wird unser Herz mindestens 2,8 Milliarden Mal brav geschlagen haben. Dabei geht der Impuls für einen Herzschlag von einem kleinen Zentrum spezialisierter Herzmuskelzellen im rechten Vorhof, dem Sinusknoten, aus – weshalb man den regulären Rhythmus als Sinusrhythmus bezeichnet.

Nicht jede Unterbrechung des Sinusrhythmus wird wahrgenommen oder ist von Bedeutung. Einzelne Extraschläge, selbst wenn sie häufig auftreten, haben praktisch keinen Krankheitswert. Entscheidend ist weniger das gefühlte Stolpern des Herzens als vielmehr die Frage, ob das Herz dadurch in seiner Pumpleistung eingeschränkt wird – oder eine tiefer liegende Herzerkrankung vorliegt.

An diesem Punkt ergeben sich oft ein diagnostisches Problem und eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen von Arzt und Patient. Das Problem ist, dass, wenn die Herzrhythmusstörungen nicht durchgehend oder sehr häufig sind, sie oft nicht mittels Ruhe-EKG aufgezeichnet werden können. Und wenn sie dann doch mittels eines Langzeit-EKG aufgedeckt werden, lautet die Aussage des Kardiologen oft: Alles nicht so schlimm. Doch der Patient spürt diese Extraschläge, es ist sein Herz – und das soll alles nicht so schlimm sein?

Bedrohlicher ist jedoch das Flimmern der Vorhöfe. Elektrisches Flimmern bedeutet nämlich mechanischen Stillstand. Und wo der Herzmuskel stillsteht, pumpt er auch nicht mehr. Und wo Blut nicht bewegt wird, gerinnt es. Es resultiert also ein doppeltes Problem, das der geringeren Pumpleistung des Herzens und das der Gerinnselbildung, das zum Beispiel Schlaganfälle verursachen kann. Meistens wird eine lebenslange Blutverdünnung mit einem Medikament namens Marcumar nötig. Die Therapie mit diesem hoch effektiven und nicht ungefährlichen Medikament ist eine Herausforderung für zwei Herzen – das des Patienten und das des Arztes.

Der Autor arbeitet als Internist in Karlsruhe. Foto: privat