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Militärspitze in Nigeria ausgewechseltDeja-Vu der Versprechungen

Der im März gewählte Präsident Muhammadu Buhari wechselt die gesamte Militärspitze aus. Die Neuen verkünden baldige Erfolge gegen Boko Haram.

Präsident Muhammadu Buhari: Entscheidung nach Qualifikation. Foto: ap

Lagos taz | Als Generalmajor Tukur Buratai, Karrieresoldat mit einer über 30-jährigen Militärlaufbahn, am 13. Juli von Nigerias Präsidenten Muhammadu Buhari zum Stabschef der Armee ernannt wurde, dominierten zwei Reaktionen: Verwunderung, warum Buhari nach seinem Wahlsieg im März und seiner Amtsübernahme im Mai so lange gebraucht hatte. Und ein Gefühl, das kenne man alles schon, als der Neue großspurig erklärte, er werde jetzt Boko Haram endgültig vertreiben.

Der geschasste ehemalige Generalstabschef Alex Badeh hätte Buratai ein paar Ratschläge mit auf den Weg geben können. Badeh kam im Januar 2014 ins Amt und versprach ein „komplettes Ende” von Boko Haram binnen drei Monaten.

Stattdessen kam drei Monate später die spektakuläre Geiselnahme Hunderter Schulmädchen durch Boko Haram in der Kleinstadt Chibok. Im Oktober 2014 nahmen sie sogar Badehs Heimatstadt Mubi ein und nannten sie „Madinatu Islam” (Stadt des Islam).

Dem neuen Armeechef Buratai schenkte Boko Haram noch weniger Gnadenfrist. Eine Woche und einen Tag nach seiner Berufung griffen die Terroristen seine Familienresidenz in seinem Heimatort an. Zwei Menschen starben.

Kampferfahren gegen Boko Haram

Sechs oberste Militärposten hat Buhari, selbst ehemaliger Militärdiktator, jetzt neu besetzt. Aber alle Augen richten sich auf Buratai. Bevor er Armeechef wurde, war Buratai der Oberkommandierende der regionalen Anti-Boko-Haram-Eingreiftruppe MNJTF aus Nigeria, Tschad, Kamerun, Niger und Benin, die in Tschads Hauptstadt N’djamena basiert ist.

Die MNJTF-Einheiten aus dem Tschad sind für die größten Erfolge im Kampf gegen Boko Haram verantwortlich; sie brachen in den Wochen vor Nigerias Präsidentschaftswahl im März die territoriale Kontrolle der Islamisten.

Nachdem Buhari am 28. März die Präsidentschaftswahlen gewann, sagte er gegenüber Vertrauten, er wolle sich nicht mit erfahrenen Politikern umgeben. Damit wollte er Korruption von sich fernhalten. Bis jetzt hat er Wort gehalten. Auch was die neue Militärspitze angeht, gilt keiner der Neuen als politisches Schwergewicht. Buhari entscheidet allein nach Qualifikation.

Der neue Generalstabschef Abayomi Gabriel Olonishakin war die Nummer eins seines Jahrgangs an Nigerias führender Militärakademie. Buratai, der neue Armeechef, hat mit großen Erfolg Ölrebellen im Niger-Flussdelta niedergekämpft. Marinechef Ibok-Ete Ekwe Ibas leitete zuvor den kommerziellen Arm der Marine NNHL (Nigeria Navy Holdings Limited), der die Immobilien der Marine verwaltet. Der einzige Schatten besteht darin, dass vier der sechs Neuen aus dem Norden Nigerias kommen, so wie Buhari auch.

Allemal besser als die Vorgänger

Für Buratai und Olonishakin wird es nicht schwer sein, einen besseren Eindruck zu erwecken als ihre Vorgänger. Als im Januar 2015 die öffentliche Wut angesichts des Vormarsches von Boko Haram hochkochte, sagte der damalige Generalstabschef Badeh, die Soldaten sollten sich mal nicht beschweren: schließlich habe jeder ein Gewehr. „Ein Soldat mit einem Gewehr, der sagt: Meine Ausrüstung reicht nicht aus – was will er denn? Panzer?”

Am 30. Juli übergab Badeh sein Amt seinem Nachfolger und war einsichtiger: „Ich führte ein Militär, dem die nötige Ausrüstung und Motivation fehlte, um einen unsichtbaren, in der Bevölkerung verankerten Feind zu bekämpfen”, sagte er.

Damit ist auch die Herausforderung benannt, vor der Nigerias neue Militärführung steht. Präsident Buhari wird mehr unternehmen müssen, als einige Generäle auszuwechseln, um sie zu meistern.

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