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Archiv-Artikel

Milde Despotie

Von KEP

Habib Bourguiba, 1903 in Monastir geboren, ist der Vater des modernen Tunesien. Er studierte in Paris Jura und Politikwissenschaft, promovierte und ließ sich 1927 als Anwalt in Tunis nieder. Schon während seiner Studienzeit hatte er sich der kleinbürgerlichen Destourpartei angeschlossen, die für die Unabhängigkeit von Frankreich eintrat. Nachdem diese von der französischen Kolonialmacht verboten worden war, gründete Bourguiba 1934 die Neodestourpartei. Auch sie wurde noch im selben Jahr von den Franzosen verboten.

Nach einem Aufstandsversuch 1938 wurde Bourguiba bei Lyon in Festungshaft genommen. Dort, als Kollaborateur der Nazis, wurde er 1942 von Klaus Barbie, damals Gestapochef in Lyon, befreit und zurück nach Tunesien geschickt, um die Unabhängigkeitsbewegung auf die Seite der Achsenmächte zu ziehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste er deshalb für ein paar Jahre untertauchen. Danach aber wurde er bei den Verhandlungen um die Unabhängigkeit wichtigster Gesprächspartner der Franzosen, 1957 erster Präsident Tunesiens und 1975 Präsident auf Lebenszeit.

Seit Anfang der Siebzigerjahre schränkte ein schweres Leberleiden seine Arbeitsfähigkeit mehr und mehr ein. Er zog sich aus dem Tagesgeschäft zurück und überließ seinem politischen Ziehsohn Zine al-Abidine Ben Ali die Drecksarbeit. Zum Lohn machte ihn Bourguiba am 1. Oktober 1987 zum Ministerpräsidenten. Sechs Wochen später wurde er bei einem unblutigen Staatsstreich gestürzt. Ben Ali hatte ihm in einem Gutachten Unzurechnungsfähigkeit attestieren lassen. Bourguiba starb 1996 an einer Lungenentzündung.

Anders als andere nordafrikanische Despoten war Bourguiba nicht korrupt. Dafür aber seine zweite Frau Wassila Ben Ammar. Als ihre dunklen Geschäfte aufflogen, ließ sich Bourguiba in einem spektakulären Prozess von ihr scheiden.

Der Karrieremilitär Ben Ali, ein Geheimdienstler mit Spezialausbildung bei der CIA in den USA, war vor seinem Putsch der Mann Bourguibas fürs Grobe. Egal, ob die Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufgerufen hatten, die Islamisten sich formierten oder das Volk wegen erhöhter Brotpreise rebellierte – immer musste Ben Ali die Unruhen niederschlagen, und meistens ließ er dabei ein paar dutzend Tote zurück.

Heute werden Menschenrechtler, Oppositionspolitiker und verhältnismäßig harmlose Islamisten drangsaliert oder sitzen im Gefängnis. Auch wirtschaftlich hat der Despot das Land fest im Griff. Er und sein weiterer Familienclan kassierten Millionenkredite bei heimischen Banken, ohne sie jemals zurückzuzahlen.

Mehr noch: Bei Auslandsinvestitionen, staatlichen Aufträgen und Bewilligungsverfahren streichen sie Schmiergelder ein, bei Einfuhrlizenzen wird die Konkurrenz ausgeschaltet. Nach Auskunft von Unternehmern lässt sich in Tunesien kein größeres Projekt ohne die „Mithilfe“ des Clans des Präsidenten realisieren.

Als französische Journalisten Recherchen über solche Machenschaften als Buch veröffentlichten, ließ Ben Ali die gesamte Auflage aufkaufen. Trotzdem ist der Sachverhalt in Tunesien allgemein bekannt. Aber bei Wahlen wird Ben Ali stets mit über 99 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Jetzt macht er sich daran, seinen Vorgänger Bourguiba zu kopieren: Er will Präsident auf Lebenszeit werden. KEP