Migrationsbericht der Bundesregierung: Eine Frage der Berechnung
Die Bundesregierung geht im aktuellen Migrationsbericht von fast 3 Millionen Deutschtürken aus. Das sind 20 Prozent mehr als bisher – dank einer neuen Zählweise.
BERLIN taz | Es ist nur ein Detail im aktuellen Migrationsbericht, den die Bundesregierung in der letzten Woche vorgelegt hat. In der Studie werden die 16 Millionen „Menschen mit Migrationshintergrund“ nach Herkunftsländern aufgeschlüsselt.
Die mit Abstand größte Gruppe sind demnach jene 2,95 Millionen Menschen, die aus der Türkei stammen. Erstaunlich: Im Bericht von 2010 hatte es noch geheißen, dass 2,48 Millionen aus der Türkei kommende Personen in Deutschland leben. Darauf hat der „Mediendienst Integration“ hingewiesen.
Der „Mediendienst Integration“ ist ein bundesweites Projekt von Migrationsforschern. Er bietet aktuelle Informationen zu Migration, Integration und Asyl.
„Kinder, deren Eltern beide denselben Migrationshintergrund haben, haben wir zum ersten Mal Herkunftsländern zugeordnet“, wird Günther Brückner, der für den Mikrozensus zuständige Mitarbeiter im Statistischen Bundesamt, zitiert. Dies erkläre, warum sich die Zahl innerhalb von einem Jahr um rund 20 Prozent erhöht hat. Bislang wurden deutsche Kinder mit Migrationshintergrund nur dann einem Land zugeordnet, wenn ein Elternteil deutsch war.
Wenn beide Eltern aus dem Ausland, aber aus verschiedenen Ländern stammen, hatten die Statistiker nämlich ein Problem: Welchem Land sollten sie diese Kinder zuordnen? Also wurden diese Kinder lediglich in der großen Gruppe von „Menschen mit Migrationshintergrund ohne Angabe zum Herkunftsland“ aufgeführt. In diese Gruppe rechnete das Statistische Bundesamt der Einfachheit halber auch Kinder, deren Eltern beide den gleichen Migrationshintergrund haben. Das hat sich nun geändert: „Es handelt sich hierbei um 471.000 Kinder türkischer Herkunft, die in Deutschland als Deutsche auf die Welt gekommen sind“, sagte Brückner.
Die Zunahme von Personen, die ihren Migrationshintergrund in „Asien, Australien und Ozeanien“ haben, ist in der Statistik noch stärker. Bislang zählte das Bundesamt 326.000 Menschen in der zweiten und dritten Generation, die in diese Gruppe fallen – nach der neuen Zählweise sind es 635.000. Die Zahl der Deutschasiaten ist also höher, als bislang gedacht.
Was diese statistische Verschiebung bedeutet, ist unklar. „Da es sich bei den statistisch neu Zugeteilten vor allem um Kinder und Jugendliche handelt, dürften sich damit auch die Bilanzen etwa bei Bildungserfolgen ändern, vermutlich positiv“, meint Ferda Ataman vom Mediendienst Integration.
„Für die bisherigen Aussagen zu den Integrationsfortschritten einzelner Gruppen hat das keine Relevanz“, glaubt dagegen Gunilla Fincke, Geschäftsführerin des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Alle großen Studien hätten die Zahlen ohnehin anders zugeordnet oder stützten sich auf andere Daten.
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