: Mietvertrag für Kulturfabrik Pfefferberg?
■ Ostberliner Kulturausschuß der Stadtverordnetenversammlung wird Alternativprojekt voraussichtlich finanziell unterstützen / Ost-Berlins KünstlerInnen bangen um ihre billigen Wohn- und Arbeitsräume
Ost-Berlin. Völlig heruntergewirtschaftet ist das Gebäude in der Schönhauser Allee: Teilweise wird es als Büro, Lager und Werkstätte genutzt. Sanitär- und Heizungsanlagen sind marode. Nach dem Willen von mehreren Ostberliner KünstlerInnen soll in dem Gebäude die „Europäische Kulturfabrik Pfefferberg“ aufgebaut und das Gebäude in Eigenverantwortung restauriert werden. Unter anderem planen sie, dort Theaterwerkstätten und Werkstätten mit historischen Berufen einrichten. Auch Behindertenwerkstätten und ein Kinderkulturzentrum könnten dort entstehen.
Gestern wurde die neu zu gründende „Europäische Kulturfabrik Pfefferberg“ im Ostberliner Kulturausschuß vorgestellt. Die Initiatoren erhoffen sich vom Berliner Magistrat die Nutzungsrechte für die historischen Gebäude in der Schönhauser Allee. In den zum Teil denkmalgeschützten Gebäuden der ehemaligen Brauerei „Pfefferberg“ sollen alternative Kulturprojekte verwirklicht werden. Schwerpunkt soll auf die europäische Dimension der Kulturfabrik gelegt werden: „Den historisch gewachsenen Befürchtungen unserer Nachbarn begegnen wir mit einer nicht-staatlichen Kulturfabrik“ heißt es in einem Thesenpapier zu dem Projekt. Eine „informative und inhaltliche Zusammenarbeit“ im „Kulturdreieck Moskau-Berlin-Paris“ werde angestrebt.
Im Kulturausschuß fand das Projekt breite Zustimmung. Über die Unterstützung wollte man jedoch erst auf der nächsten Sitzung abstimmen, um noch genügend Zeit für die Analyse der Thesenpapiere des Projektes zu haben, so die Vorsitzende des Kulturausschusses. Mit dem Beschluß im Rücken will die Kulturstadträtin Dr. Irana Roster (SPD) dann auch die Unterstützung des Finanzausschusses und schließlich des Magistrats einholen.
Weiterhin wurde das Thema „Atelierwohnungen“ auf der Sitzung des Kulturausschusses beraten. Ost-Berlins KünstlerInnen befürchten, daß ihre Arbeits- und Wohnräume zukünftig als „Gewerberäume“ deklariert werden. Die dann zu erwartenden Mietpreissteigerungen könnte von den meisten KünstlerInnen nicht bezahlt werden. Zumindest für die Atelierwohnungen im städtischen Besitz gibt es jedoch einen Ausweg: Bis Mitte des nächsten Jahres werden diese Atelierwohnungen wie normale Mietswohnungen behandelt, erklärte die Kultur-Stadträtin Roster. Ab 1991 wird es möglicherweise eine Mietunterstützung für freischaffende Künstler geben.
Angst hatten viele der anwesenden KünstlerInnen, daß in Ost -Berlin Westberliner Verhältnisse einziehen: In West-Berlin müssen rund 90 Prozent der KünstlerInnen einem zweiten Job nachgehen, weil mensch mit der Kunst nicht genügend Geld zum Überleben verdienen kann. Das sind für die meisten Ostberliner KünstlerInnen unvorstellbare Verhältnisse.
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