Mietpreise: Geht doch nach Jenfeld!
Das städtische Wohnungsunternehmen Saga / GWG wehrt sich gegen Vorwürfe, es treibe die Mieten hoch: Billigen Wohnraum gebe es genug - außerhalb der Szeneviertel.
Der städtische Konzern Saga /GWG hat sich gegen den Vorwurf gewehrt, nicht ausreichend für günstigen Wohnraum zu sorgen. Auch wenn die Saga / GWG-Mieten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen seien, lägen sie noch immer deutlich unter dem Mittelwert des Mietenspiegels, argumentiert das Unternehmen. Im Gegenzug habe man die Wohnungen modernisiert, die Nebenkosten verringert und die Atmosphäre in den Stadtteilen verbessert. "Unser Interesse ist nur dann gewahrt, wenn es gelingt, den sozialen Ausgleich in den Stadtteilen zu sichern", versichert Saga / GWG-Vorstandsmitglied Lutz Basse.
In der vergangenen Woche hatte die "Arbeitsgruppe Mieten" des Netzwerks "Recht auf Stadt" ins Centro Sociale im Schanzenviertel eingeladen. Rund 100 MieterInnen machten ihrem Ärger darüber Luft, dass die Normal- und Geringverdiener aus Szenevierteln verdrängt und immer mehr Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt würden. "Das ist kein Naturgesetz, sondern politisch gesteuert", sagte Martin Reiter von der Arbeitsgruppe Mieten. Saga und GWG spielten dabei eine entscheidende Rolle.
Während der Mittelwert des Mietenspiegels zwischen 1997 und 2007 um 13 Prozent zugelegt hat, waren es bei der Saga / GWG 27 Prozent, wie parlamentarische Anfragen der SPD und der Linken ergaben. Zugleich hat der Konzern nur wenige Wohnungen gebaut und einige Tausend verkauft. Mit 500 Millionen Euro finanziert das Wohnungsunternehmen die Hälfte des Sonderinvestitionsprogramms, aus dem auch das Millionengrab Elbphilharmonie bezahlt wird. Etwas zugespitzt könne man von einer "Sonderabgabe für die Elbphilharmonie" sprechen, sagte Michael Joho, Referent der Linken in der Bürgerschaft, beim Treffen der AG Mieten.
Der Saga / GWG-Vorstand will derlei Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Seit Jahren habe der Konzern der Stadt keine Dividenden mehr bezahlt, sagte Vorstandsmitglied Basse. Die Gewinne seien ins Unternehmen geflossen. Dass die Mieten überdurchschnittlich gestiegen sind, erklärt Basse damit, dass viele ehemalige Sozialwohnungen mittlerweile aus der Preisbindung gerutscht seien. Außerdem hätten viele Saga / GWG-Wohnungen saniert werden müssen.
Die Kosten für eine Modernisierung dürfen auf die Mieten umgelegt werden. Das tun auch Saga und GWG - allerdings zum Teil gestaffelt und nicht bei allen Wohnungen, wie Basse und sein Vorstandskollege Willi Hoppenstedt versicherten. Im Gegenzug sänken die Nebenkosten, etwa für die Heizung.
Von den 27 Prozent Mietsteigerung seien zwölf Prozentpunkte auf die Modernisierung zurückzuführen und 15 Prozentpunkte auf steigende Marktpreise. Damit seien die Saga / GWG-Mieten weniger stark gestiegen als das allgemeine Preisniveau mit 16 Prozent. Die Debatte über stark steigende Mieten und eine angebliche Wohnungsnot werde "zu 80 Prozent durch Szene-Stadtteile bestimmt", sagt Basse. In Wilhelmsburg, Mümmelmannsberg, am Osdorfer Born, in Jenfeld und in Steilshoop werde es sich auch in Zukunft günstig wohnen lassen.
Den Saga-Kritikern reicht das nicht. Vielen BewohnerInnen der Szene-Viertel geht es gerade darum, dort wohnen bleiben zu können. "Das Recht auf Wohnen ist ein existenzieller Teil des Rechts auf Stadt - auch in dem Stadtteil, in dem ich leben will", sagte Martin Reiter von der AG Mieten im Centro Sociale.
Saga-Vorstand Hoppenstedt verweist darauf, dass die Saga etwa in St. Pauli noch viele öffentlich geförderte Wohnungen anbiete: "Wir können nichts dafür, dass Leute für die anderen Wohnungen exorbitante Preise bezahlen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind