Mietobergrenzen: Sarrazin kappt unsoziale Sozialbauförderung
Finanzsenator Sarrazin (SPD) will Mietobergrenzen für Sozialwohnungen abschaffen. Seine Fraktion ist dagegen. Die Wohnungsunternehmen auch. Dafür hat er Linke und Grüne auf seiner Seite.
In der rot-roten Koalition ist ein Streit um die Förderung von Sozialwohnungen entbrannt. Während Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die bisherigen Zuschüsse für die Vermieter beibehalten will und damit der Linie der SPD-Fraktion entspricht, schießt Finanzsenator Thilo Sarrazin (ebenfalls SPD) quer. Er beharrt auf einem Abbau der Fördermittel - und erntet dafür den Applaus der Linken und der oppositionellen Grünen. Sarrazin plädiert dafür, die Grenzen abzuschaffen. Geschehe dies nicht, fielen bis 2020 Mehrkosten in Höhe von mehr als 17 Millionen Euro an.
Damit müssten sich etwa 90.000 Menschen von April an auf steigende Mieten einstellen. Die 50.000 Sozialwohnungen liegen vorwiegend im Westteil der Stadt. Für sie könnten die Kaltmieten pro Quadratmeter um bis zu 13 Cent monatlich steigen. Bisher kosteten Wohnungen an sozialen Brennpunkten höchstens 5,35 Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich. Für Sozialwohnungen in einfachen und mittleren Wohnlagen lag die Obergrenze bei 5,75 Euro pro Quadratmeter monatlich. Lediglich Wohnungen in guten Lagen wie in Steglitz-Zehlendorf waren ausgenommen.
Damit die Mieten die Grenzen nicht übersteigen, bezuschusst das Land die Vermieter. Diese Zuwendungen sind ein Relikt aus der Wohnungsbauförderung, die seit der Jahrtausendwende schrittweise abgebaut wird.
Die SPD-Fraktion hatte bei ihrer Klausurtagung vor knapp vier Wochen beschlossen, dass die bisherigen Obergrenzen weiter gelten sollen - obwohl eigentlich ein schrittweiser Abbau beschlossen war. Senatorin Junge-Reyer will so verhindern, dass gut verdienende Menschen aus den Sozialwohnungen ausziehen und die Viertel an Qualität verlieren. Außerdem will die Senatsverwaltung übermäßigen Leerstand verhindern. Die Mieten im sozialen Wohnungsbau liegen mit durchschnittlich 5,40 Euro je Quadratmeter Wohnfläche weit über den Preisen des freien Wohnungsmarkts von 4,75 Euro laut Mietspiegel.
Hauptprofiteure der Regelungen sind die Wohnungsunternehmen. Prompt kam von dieser Seite Kritik an den Plänen Sarrazins. Der soziale Frieden in Berlin werde gefährdet, wenn die Mieten in Sozialwohnungen steigen, warnte das Vorstandsmitglied des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Ludwig Burkardt. Für einkommensschwache Haushalte zähle jeder Cent.
Unsinn, sagte dazu der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion, Carl Wechselberg. "Für die Vermieter ist das doch nur ein Rettungsschirm des Staates." Was wirklich gebraucht werde, seien gezielte Förderungen für Bedürftige. Oft nämlich lebten in den Sozialwohnungen solvente Menschen, die gar nicht auf gedeckelte Mieten angewiesen seien. "Wir wollen öffentliche Subventionen an den Sozialstatus des Mieters binden", sagte Wechselberg.
Die Grünen schlagen in die gleiche Kerbe. Auch sie wollen die generellen Senatszuschüsse abschaffen, weil das Instrument überholt sei. "Zugleich brauchen wir dann Härtefallregelungen für die Menschen, die bei steigenden Mieten tatsächlich in der Existenz bedroht sind", sagte der wohnungspolitische Sprecher, Andreas Otto.
Der Senat will in Kürze eine Entscheidung fällen, die für den Doppelhaushalt 2009/2010 gelten soll. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer sagte am Dienstag, es werde nächste Woche dazu einen Senatsbeschluss geben. "Ich gehe davon aus, dass es für die Großsiedlungen eine Kappungsgrenze geben wird." Sarrazins Sprecherin deutete ebenfalls an, dass eine Regelung für Großsiedlungen ein Kompromiss sein könnte. Wechselberg indes versprach: "Wir werden uns streiten." KRISTINA PEZZEI
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