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Archiv-Artikel

Mieterschutz oder Haushaltssanierung?

Millionen Wohnungen könnten in den nächsten Jahren verkauft werden. Verliert die Politik damit ein Steuerungsinstrument?

BERLIN taz ■ Stadtbau Freiburg mit seinen 8.900 Wohnungen ist ein kleiner Fisch. Um mehr als zehnmal so viele – 96.000 – wird gegenwärtig in Nordrhein-Westfalen gestritten. Gegen den Verkaufsbeschluss des Düsseldorfer Kabinetts sammelt eine Bürgerinitiative seit Juli Unterschriften, damit der Verkauf wenigstens auf die Tagesordnung des Landtages kommt, bevor die Regierung einen Beauftragten für den Verkauf benennt.

Ob es sinnvoll ist, dass Bundesländer oder Gemeinden als Eigentümer auftreten, ist dabei umstritten. Die Tradition der Wohnungswirtschaft besagt, dass eigene Bestände ein Instrument für Stadtentwicklungs- und Mieterschutzpolitik sind. Ökonomen halten dagegen, die Unternehmen würden ineffizient, wenn sich der Staat einmische. Soziale Ziele sollten durch eine Förderpolitik und das Setzen von Rahmenbedingungen verfolgt werden. Wohnungswirtschaft und -politik seien zwei Paar Stiefel, sagt Ramon Sotelo, Juniorprofessor für Immobilienökonomie an der Uni Weimar. „Es ist ordnungspolitisch sinnvoll, das zu trennen.“

Landauf, landab bereiten öffentliche Eigentümer den Verkauf ihrer Wohnungen an private Investoren vor. 40 Prozent von mehr als 200 Kommunen, die die Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PWC) vertraulich befragt hat, wollen ihre Wohnungsbestände verringern. Nach Schätzung von PWC stehen damit bis zu drei Millionen öffentliche Wohnungen zum Verkauf.

Die internationale Immobilienbranche reibt sich die Hände, denn Investitionen auf dem deutschen Markt verheißen zurzeit noch hohe Renditen. Wie Olaf Dube vom Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) sagt, profitieren die Anleger davon, dass sie sich auf dem internationalen Kapitalmarkt sehr günstige Kredite beschaffen können, mit denen sie den Kauf der Wohnungen finanzieren. Die Mieten verschaffen ihnen für das günstig erworbene Eigenkapital eine zweistellige Rendite. Zusätzliche Renditen können sich aus dem Weiterverkauf der Wohnungen an die Mieter und die „Optimierung des Geschäfts“ ergeben: Sie erhöhen die Miete, sparen beim Personal und – wenn es ins Konzept passt – auch bei der Instandhaltung. „Öffentliche Unternehmen nützen nicht alles aus“, sagt Dube.

Eben das sei falsch, sagt der Immobilienökonom Sotelo. Wer mit Wohnungsunternehmen Politik machen wolle, verhindere, dass diese effizient wirtschaften. Denn die betriebsinternen Vorgaben etwa zur unrentablen Sanierung alter Häuser verhinderten, dass die Leistung dieser Unternehmen gemessen werden könne. Sotelo plädiert dafür, dass die Politik sich öffentlich auf wohnungspolitische Ziele einigen und politische Instrumente einsetzen möge, um diese zu erreichen. Der Staat kann den Bau von Sozialwohnungen fördern und sich im Gegenzug Belegungsrechte geben lassen. Er zahlt Wohngeld und kann Sanierungsgebiete ausweisen, in denen die Rechte der Eigentümer für begrenzte Zeit eingeschränkt werden.

„Die Möglichkeiten, wie die öffentliche Hand Einfluss auf die Wohnungsmärkte nehmen kann, sind nicht ausreichend“, findet dagegen Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB). „Der bisherige Eigentümer war professionell“, sagt Ropertz. „Sein Geschäft war die Vermietung.“ Die jetzt auftretenden Investoren dagegen seien allein am Profit interessiert und nicht daran, mit einem Wohnungsbestand auf lange Sicht Renditen zu erwirtschaften. „Wir haben eine Entwicklung vom Halter zum Händler“, sagt Ropertz. Das gehe zulasten der Bestandsqualität und treibe die Mieten in die Höhe.

Sotelo hält das für Unfug. Die Mieten würden allein durch die Zahl der angebotenen Wohnungen bestimmt. In den billigen städtischen Wohnungen machten sich Mieter auf viel Fläche breit, die nur eine kleine Wohnung eines Privateigentümers mieten könnten. Die Subventionen verteuerten die Wohnungen im privaten Marktsegment – dessen Mieter über ihre Steuern auch noch einen Teil der Subventionen trügen.GERNOT KNÖDLER