Mieterhöhungen durch Energiewende: Modernisieren wird teuer
Die energetische Gebäudesanierung birgt sozialen Sprengstoff, warnt die TU Darmstadt. Energieexperten widersprechen.
BERLIN taz | Die Energiewende verteuert das Wohnen in Deutschland für Mieter und Eigenheimbesitzer. Davon ist zumindest Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt, überzeugt: „Dies birgt erheblichen sozialen Sprengstoff“, sagt er. Pfnür hat, zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysisk, eine Studie über energetische Gebäudesanierung erstellt und darin die Kosten verschiedener Sanierungsmöglichkeiten verglichen, um die Ziele der Bundesregierung – bis 2050 rund 80 Prozent weniger Energieverbrauch in Wohngebäuden – zu erreichen.
Sein Fazit: „Wichtigstes Ziel muss es sein, dass die Maßnahmen aus Sicht der Eigentümer und Nutzer wirtschaftlich durchführbar sind.“ Daher seien technologieoffene Sanierungsmaßnahmen zu bevorzugen; schreibe der Staat die Technologie vor, werde die Sanierung durchschnittlich 22 Prozent teurer. Auftraggeber der mehr als 100 Seiten langen Studie ist das Hamburger Institut für Wärme und Öltechnik, das nach eigenen Angaben die deutsche Mineralölwirtschaft repräsentiert.
Wenn der Staat die Technik vorschreibt, werden die Sanierungskosten für ein Einfamilienhaus bei 140.000 Euro liegen, für ein Mehrfamilienhaus bei mehr als 300.000 Euro, schätzt Pfnür. Dies seien insgesamt bis zu 2,1 Billionen Euro bis 2050. Werde die Technologie der Energieeinsparung offen gehalten, werde es bis zu einem Drittel weniger. Ein Teil der Sanierungskosten würde ohnehin anfallen, um den Gebäudebestand zu erhalten. Aber mindestens eine Billion müsse zusätzlich ausgegeben werden, um die Einsparziele der Energiewende zu erreichen.
Nach Pfnürs Berechnungen würde das Wohnen in einem Einfamilienhaus um 260 Euro pro Monat teurer, die Wohnungsmiete in einem Mehrfamilienhaus würd um 140 Euro steigen. Je Quadratmeter rechnet Pfnür mit einer Kostensteigerung von 1,69 Euro, wobei Einsparungen durch geringere Heizkosten schon berücksichtigt seien.
„Kosten unrealistisch hoch dargestellt“
Der Deutsche Mieterbund nahm die Studie zur Kenntnis. Zu den konkreten Zahlen könne man nichts sagen, so Verbandssprecher Ulrich Ropertz. „Aber es ist eine Binsenweisheit, dass sich die energetische Sanierung nicht durch Heizkostenersparnis rechnet.“
Die entsprechenden Mieterhöhungen seien etwa drei bis vier Mal höher als der Betrag, den Mieter durch geringere Heizkosten sparen könnten. Gleichwohl sei die energetische Sanierung sinnvoll – „aber die Mieter werden über Gebühr belastet“.
Die Deutsche Energie-Agentur (dena), die unter anderem mit Energiekonzernen und Firmen der Erneuerbare-Energien-Branche zusammenarbeitet, widersprach vehement der Studie. „Die TU Darmstadt stellt die Kosten der energetischen Sanierung unrealistisch hoch dar“, sagte dena-Geschäftsführer Stephan Kohler.
Bis zum Jahr 2050 könne durch sinnvolle energetische Sanierungen ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. „Wenn gar nicht saniert wird, ist das für den Mieter die teuerste Variante, da seine Warmmiete durch die steigenden Energiepreise erheblich stärker steigen wird, als wenn sein Haus saniert wird“, sagte Kohler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden