Mieter wehren sich: Balkone statt bezahlbarer Mieten
Auch in der Schöneberger Gleditschstraße wehren sich die Bewohner gegen Luxusmodernisierung.
Die Zettel mit den roten Ausrufezeichen und mit dem Satz „Hier wird verdrängt“ fallen an den Haustüren in der Schöneberger Gleditschstraße 49 bis 63 sofort ins Auge. Die in den frühen 1960er Jahren erbauten Wohnblöcke wechselten nach der Privatisierung der Gagfah mehrmals den Eigentümer. Jetzt gehören die Häuser der in Hamburg ansässigen Intreal Estate.
„Wir haben immer versucht, konstruktiv auf den neuen Eigentümer zuzugehen“, betont Jens Hakenes von der Mietergemeinschaft Gleditschstraße gegenüber der taz. Das wichtigste Ziel der BewohnerInnen der 117 Wohnungen: Sie wollen sich auch nach der geplanten Modernisierung die Wohnungen noch leisten können. Erst durch eigene Recherche sei ihnen der Inhalt des Bauantrags bekannt geworden, der bei den MieterInnen für Beunruhigung gesorgt hat. Der sieht den Einbau dreifach verglaster Fenster, neuer Balkone und eines Fahrstuhls vor. Hakenes fordert den Bezirk auf, die soziale Erhaltungsverordnung (EVO) zu nutzen, um eine Luxusmodernisierung zu verhindern.
Die Intreal, die gegenüber der Presse keine Auskünfte gibt, wird wohl einige Abstriche machen müssen. „Die geplante Modernisierung inklusive der kompletten Umlage der Kosten auf die Miete ist so nicht genehmigungsfähig“, erklärte die zuständige Stadträtin für Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung und Bauen in Tempelhof Schöneberg Sibyll Klotz, gegenüber der taz. Allerdings seien die Steuerungsmöglichkeiten des Bezirks begrenzt. „Das Ziel einer EVO ist nicht, Modernisierungen insgesamt zu verhindern. Die EVO ist ebenfalls kein Instrument, Mietsteigerungen zu begrenzen. Mietrecht ist Bundesrecht“, betont die grüne Politikerin. Sie sieht in dem „Privatisierungswahnsinn der letzten 20 Jahre“ den Grund, dass die MieterInnen in Schöneberg jetzt ihre Verdrängung fürchten müssen.
Doch die wollen sich dagegen wehren. „Am Samstag geht’s quer durchs Quartier, den Ausverkauf, den stoppen wir“, reimten einige MieterInnen, als sie am 6. Dezember erstmals auf die Straße gingen. Anlässlich der nächsten BVV-Sitzung am 17.Dezember wollen viele von ihnen vor dem Schöneberger Rathaus auf ihre Forderungen aufmerksam machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“