Mieten-Affäre um Sozialunternehmen: Treberhilfe kann nicht zahlen
Die Mieten-Affäre bei der Treberhilfe weitet sich aus: In weit mehr Fällen, als bisher bekannt blieb, der Träger nach taz-Informationen die Miete für Klienten schuldig.
In weit größerem Maße als bisher bekannt hat die Treberhilfe Mieten für ihre Klienten nicht bezahlt. Allein von einer Hausverwaltung gibt es 14 Räumungsklagen. In weiteren 25 Fällen, zu denen der taz Unterlagen vorliegen, sind Mietschulden über Monate aufgelaufen. Zuletzt wurde bei der Treberhilfe offenbar auch das Geld für die eigenen Mitarbeiter knapp: Gehälter wurden nur anteilig bezahlt.
Seit der "Maserati-Affäre" Anfang 2010 sind die Schwierigkeiten für das einstige Musterkind unter den sozialen Trägern nicht weniger geworden. Mitte Mai kündigte die Senatssozialverwaltung ihre gesamten Verträge mit der Treberhilfe - wegen schwerer Pflichtverletzungen. Die Treberhilfe klagt dagegen, eine Entscheidung über die einstweilige Aussetzung der Kündigung wird für diese Woche erwartet. Ebenfalls in dieser Woche will die Senatsbildungsverwaltung entscheiden, ob sie ihre Verträge verlängert. Sie ist zuständig für die Finanzierung der Betreuung von Jugendlichen. In einem laufenden Verfahren prüft außerdem das Finanzamt für Körperschaften, ob der Treberhilfe der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt werden muss.
Mitte Juni wurde schließlich bekannt, dass ausgerechnet die ehemals obdachlosen Klienten der Treberhilfe zum Teil um ihren Wohnsitz bangen müssen. Die Treberhilfe unterhält einen Pool von mehr als 600 Wohnungen. Es ist üblich, dass die Jobcenter Unterkunftskosten direkt an soziale Träger statt an deren Klienten überweisen, damit die Miete immer pünktlich gezahlt wird. Ausgerechnet diese Absicherung hat bei der Treberhilfe zuletzt nicht geklappt. Mitte Juni sprach die Sozialverwaltung von 13 Fällen, in denen die Treberhilfe die Mieten nicht den Vermietern weitergeleitet habe. In 11 Fällen seien bereits Räumungsklagen zugestellt worden.
Bei der Vielzahl von Mietverhältnissen seien dies nur Einzelfälle gewesen, hieß es damals von der Treberhilfe. Sie seien inzwischen geklärt. Tatsächlich scheint das Ausmaß aber wesentlich größer zu sein als bisher angenommen: Allein die Hausverwaltung B & W habe 14 Räumungsklagen versendet, erklärte deren Anwalt Jürgen Technau gegenüber der taz. Die Mieten für die Wohnungen in Neukölln und Kreuzberg seien seit Februar 2011, zum Teil sogar seit November 2010 nicht mehr bezahlt worden. Deshalb habe man alle Mietverhältnisse mit der Treberhilfe fristlos gekündigt.
"Wir vermieten ganz sicher keine Wohnung mehr an die Treberhilfe", sagte eine Mitarbeiterin der B & W. In der ganzen Zeit habe die Treberhilfe nicht einmal das Gespräch gesucht. Auch auf die Räumungsklagen habe es keine Reaktion gegeben. "Die Klienten konnten gar nichts dafür und waren zum Teil verstört." Mit einigen von ihnen habe man nun direkt einen Mietvertrag aufgesetzt.
Aus mehreren Kündigungsschreiben und Aufstellungen von Mietkonten, die der taz vorliegen, geht hervor, dass es in zehn weiteren Fällen fristlose Kündigungen und bei insgesamt 40 Fällen ausstehende Mietschulden über mehrere Monate gab. Ehemalige Mitarbeiter sprechen sogar von rund 200 Fällen. Die betreffenden Hausverwaltungen wollten sich nicht äußern.
Auf Nachfrage schiebt Treberhilfe-Geschäftsführer Gideon Joffe jetzt seinen Konkurrenten den Schwarzen Peter zu. Zu Beginn der Krise sei ein ganzer Schwung Mitarbeiter mit rund 150 Klienten zu anderen Trägern gewechselt, in der Regel zur Neue Chance GmbH, so Joffe. Die Unterkunftskosten für diese Klienten hätten die neuen Träger kassiert, aber nicht sofort an die Treberhilfe weitergeleitet. Man habe die Mieten aber weiterzahlen müssen: "Wir konnten unsere ehemaligen Klienten doch nicht auf die Straße setzen." Rainer Krebs, dem Geschäftsführer der Neuen Chance, ist "kein einziger solcher Fall bekannt".
Aber nicht nur bei den Mieten scheint der Treberhilfe das Geld knapp zu werden: Mehrere ehemalige Mitarbeiter haben Gehaltsklage eingereicht. Der taz liegen Unterlagen vor, wonach für Mai nur anteilig Gehälter ausgezahlt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen