■ Michael Crichtons neues Buch zum Film ist auch schon da: Leipziger Lesezeichen (4)
Auf vielfachen Wunsch stellen wir heute ein Buch ohne Sex, dafür aber mit viel Spannung und Mathematik vor:
Michael Crichton: „Glashaus“, 490 Seiten, mit vielen Graphiken, DM 10, Bahnhofskioskverlag
Textauszug: „Mark atmete tief durch. Es ist hier, dachte er, und wir können nichts dagegen tun. Fast hätte er laut aufgelacht. Als er seinen Abschluß in Berkeley in der Tasche hatte, war er sich sicher gewesen, die Welt stünde ihm offen. Europa, Asien, Mikronesien – sie warteten alle auf ihn, das Mathematikgenie. Und nun saß er hier, mitten in der Wüste von Nevada, unter der Glaskuppel einer künstlichen Welt, die ihn und die anderen vielleicht nie mehr freigeben würde.
,Die Energieversorgung bleibt konstant.‘ Mark hatte nicht bemerkt, daß Sonja die Kommandozentrale betreten hatte. Sie sah erschöpft aus, fand er.
,Du meinst, obwohl draußen der schlimmste Wüstensturm des Jahrtausends tobt und uns wahrscheinlich komplett mit Sand begraben wird, bleibt hier drinnen alles beim alten?‘
Sonja zuckte mit den Schultern. ,Ich weiß, es klingt verrückt. Aber es ist so. Ich gehe jetzt schlafen.‘
Sie wandte sich ab, und Mark sah ihr nach. Sonja Hunter war eine Kapazität auf ihrem Gebiet und bekannt für ihren Hang dazu, Ergebnisse mindestens dreimal zu überprüfen. Wenn Sonja sagte, die Energiezufuhr würde ihnen erhalten bleiben, dann war das keine Vermutung, sondern eine Tatsache. Aus irgendeinem Grund, überlegte Mark, soll uns nichts geschehen. Oder – ihm fiel wieder seine Begegnung vom Nachmittag ein – noch nichts. Er beschloß, sich auf das Wesentliche an dieser Situation zu konzentrieren, und schaltete den Computer ein.
BIOWORLD LOVES YOU
leuchtete es von seinem Bildschirm. Wie jedes Mal, wenn er diesen idiotischen Willkommensgruß las, verdrehte Mark die Augen. Er tippte den Code ein. GEBEN SIE JETZT IHR PASSWORT EIN. Plötzlich kam Mark ein Gedanke. Er löschte die ersten Zeichen seines Paßwortes. LIEBE, schrieb er. DAS PASSWORT WURDE FALSCH ODER UNVOLLSTÄNDIG EINGEGEBEN, sagte die Maschine. Mark sah auf den Videoschirm, der die Glaskuppel kontrollierte. Der Sand lag inzwischen zwölf Meter noch. In zwei Tagen, dachte er, sind wir vom Tageslicht abgeschnitten. Er zog die Computertastatur näher zu sich heran. HASS.
Eine Zahlenkolonne raste über den Monitor. Das Bild flackerte wild und beruhigte sich wieder.
123 0815 677
000001 56 1212
4565678 34
5386940 04 89
In der nächsten Stunde arbeitete Mark konzentriert daran, den Code zu dechiffrieren. Dann stand die Botschaft klar vor ihm.
BIOWORLD LANGZEIT-
ÜBERLEBENSEXPERIMENT
Darunter eine Tabelle, in der er seinen Namen entdeckte:
NAME: MARK SWANSON
FT: MATHEMATIKER
REPRO: STUFE 3
LEBENSDAUER: 15
Oh Gott. Das also war BIOWORLD: Die Expertengruppe, der Mark angehörte, führte kein Experiment durch. Sie war das Experiment. In fünfzehn Jahren wollen sie uns ausgraben und nachsehen, wer von uns noch am Leben ist, erkannte Mark. Aber wer immer auch hinter BIOWORLD steckte, hatte nicht an das Ding aus der Wüste gedacht. Er drückte den Knopf der Funksprechanlage, um die anderen zu rufen.“ Carola Rönneburg
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